Die Dependencia-Schule im Kontext der Globalisierungsdiskussion : Ein Beitrag zur Überwindung der Diskontinuität in der lateinamerikanischen Sozialwissenschaft
Rovira Kaltwasser, CristóbalDownload:
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URL | https://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2008/501/ |
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Dokumentart: | Bericht / Forschungsbericht / Abhandlung |
Institut: | INIIS Uni Bremen |
Schriftenreihe: | InIIS-Arbeitspapier |
Bandnummer: | 26 |
Sprache: | Deutsch |
Erstellungsjahr: | 2003 |
Publikationsdatum: | 16.08.2008 |
Originalveröffentlichung: | http://www.iniis.uni-bremen.de/pages/arbeitspapierBeschreibung.php?ID=27&SPRACHE=DE (2003) |
DDC-Sachgruppe: | Politik |
BK - Basisklassifikation: | 89.05 (), 89.93 (Nord-Süd-Verhältnis), 83.10 (Wirtschaftstheorie: Allgemeines), 70.02 () |
Sondersammelgebiete: | 3.6 Politik und Friedensforschung |
Kurzfassung auf Deutsch:
Die Geschichte der lateinamerikanischen Sozialwissenschaft ist eine Geschichte der Diskontinuität. Neue Generationen von Intellektuellen zeigen den vorigen Generationen permanent die „kalte Schulter“, so dass sich kaum ein wissenschaftlicher Zusammenhalt entwickeln kann. Der Generationenbruch ereignet sich ohne explizit geäußerte Kritik, sondern vielmehr durch die Ausblendung von bedeutenden Autoren und die Einführung neuer Betrachtungsweisen. Die neu entstandenen Theorien zeigen kaum Verknüpfungen mit den vorigen; allenfalls im Sinne einer Abgrenzung. Deswegen erregen die heuristischen Gebilde aus anderen Orten der Welt schnell Aufmerksamkeit, während die eigene Gedankentradition als entbehrlich oder als fehlerhaft stigmatisiert wird. Es ist kein Zufall, dass in Lateinamerika Autoren wie Fernando Henrique Cardoso, José Medina Echeverría oder Gino Germani heute kaum noch Beachtung geschenkt wird. Ein gutes Beispiel dieser Diskontinuität in der lateinamerikanischen Sozialwissenschaft ist der Lebenszyklus der dependencia-Schule: Während sie in den 1970er Jahren von einem großen Teil der Welt als ein erfolgreiches theoretisches Modell angesehen wurde, findet ihr Gedankengut seit den 1980er Jahren unter Sozialwissenschaftlern nur noch geringes Interesse. Da in den 1980er Jahren unter den Intellektuellen Lateinamerikas praktisch kein kritischer Diskurs über dependencia stattfand, wurde auch die abhängige Situation, in der sich der Kontinent bis heute befindet, kaum thematisiert. Bis zum heutigen Tag fehlen neuere Analysen zu diesem Thema. Selbstverständlich gibt es theoretische Gründe – wie zum Beispiel das Scheitern der großen Theorie (Boeckh 1992; Booth 1985; Menzel 1992; Mürle 1997; Sklair 1988) – die den Niedergang der dependencia-Schule erklären; aber bis jetzt wurde das Hauptelement für dieses „Vergessen“ innerhalb Lateinamerikas nicht erfasst: die permanente Diskontinuität in der Sozialwissenschaft des Kontinents, die diese seit ihrer Entstehung auszeichnet. Es sieht so aus, als wäre in Lateinamerika die Begeisterung für neue Theorien stets größer als das Interesse an Nachforschungen über die Vergangenheit. Besitzen die Interpretationen aus den 1960er und 1970er Jahren kein Erklärungspotential für die heutige Zeit mehr? Haben die Gedanken der lateinamerikanischen dependencia-Schule tatsächlich keinen Gehalt mehr für die Erklärung neuer Phänomene? Könnten ihre Ideen nicht eventuell doch eine Leistung für das Verständnis der Gegenwart erbringen?P Die heutige Zeit ist besonders geeignet, um derartige Fragestellungen aufzugreifen, da die Globalisierung eine epochale Transformation verkörpert, welche die Konstruktion von neuen Begriffen und Theorien erfordert (Beck 2000; Therborn 2000a). Zweifelsohne kann man heute eine Reihe von Faktoren erkennen, die auf eine wachsende Grenzen überschreitende Vernetzung bestimmter Felder der Gesellschaft hindeuten, so dass sich eine umfangreiche Debatte über die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf die verschiedenen Nationalstaaten entwickelt hat. Es ist eine Aufgabe der Sozialwissenschaft, die Verständigung über diese epochale Transformation zu ermöglichen – eine Aufgabe die in Lateinamerika zwar gerade erst virulent geworden ist, die aber zunehmend an Aktualität gewinnt. Aus dieser Perspektive eröffnet die Globalisierung eine Chance, die Diskontinuität innerhalb der Sozialwissenschaft des Kontinents zu überwinden, da – wie sich zeigen wird – durch eine Auseinandersetzung mit den früheren heuristischen Gebilden wichtige Gesichtspunkte für die Interpretation des sich entwickelnden Zeitalters gewonnen werden können. Gerade die dependencia-Schule verkörpert eine Gedankentradition des Kontinents, die gut geeignet ist, um Beiträge für die Interpretation der neuen Epoche zu leisten. In diesem Sinne werden in der vorliegenden Arbeit zwei zentrale Thesen behandelt. Einerseits kann man durch die Betrachtung des Lebenszyklus der dependencia-Schule die geschichtliche Diskontinuität innerhalb der lateinamerikanischen Sozialwissenschaft sehr deutlich aufzeigen. Andererseits kann man wichtige Aspekte der gegenwärtigen epochalen Transformation durch die Globalisierung dank bestimmter Elemente der Theorie der dependencia-Schule besser verstehen. Auf diese Weise lässt sich zeigen, dass gerade heute eine Möglichkeit besteht, die Diskontinuität in der lateinamerikanischen Sozialwissenschaft zu überwinden. Da sich diese Arbeit mit den zwei schon benannten Thesen beschäftigt, ist sie dementsprechend auch in zwei korrespondierende Großabschnitte gegliedert.
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