Politische Einstellungen ostdeutscher Frauen.
Schlegel, UtaDownload:
pdf-Format: Dokument 1.pdf (284 KB)
URL | https://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2009/852/ |
---|---|
Dokumentart: | Bericht / Forschungsbericht / Abhandlung |
Institut: | Rosa-Luxemburg-Stiftung |
Schriftenreihe: | Manuskripte // RLS, Rosa-Luxemburg-Stiftung |
Bandnummer: | 01 |
ISBN: | 3-320-02994-0 |
Sprache: | Deutsch |
Erstellungsjahr: | 2000 |
Publikationsdatum: | 12.03.2009 |
SWD-Schlagwörter: | Deutschland <Östliche Länder> , Frau , Politische Einstellung |
DDC-Sachgruppe: | Politik |
BK - Basisklassifikation: | 71.31 (Geschlechter und ihr Verhalten), 89.53 (Politische Kultur) |
Sondersammelgebiete: | 3.6 Politik und Friedensforschung |
Kurzfassung auf Deutsch:
Für die Lebenszusammenhänge ostdeutscher jüngerer und älterer Frauen bedeuten die Veränderungen seit der „Wende“ angesichts ihres Gleichstellungsvorsprungs aus der DDR keine „nachholende Modernisierung“. Vielmehr sind sie – trotz vergleichsweise stromlinienförmiger DDR-Biografien – mit Ent-Individualisierungstendenzen verbunden. Nach vergleichsweise egalitären Lebensverhältnissen in der DDR vollziehen sich – auf dem Hintergrund von Polarisierungsprozessen in Ostdeutschland insgesamt – deutliche Tendenzen der Zunahme von sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtergruppen sowie innerhalb der Frauen und zwischen jüngeren und älteren Frauen – dies im Sinne zunehmender Benachteiligung der Frauen und insbesondere der älteren. Dies führt aus verschiedenen Gründen (noch) nicht zu einem politischen Protestpotential, insbesondere – infolge verbreitet immer noch mangelnder Sensibilität ostdeutscher Frauen gegenüber Benachteiligung qua Geschlecht; – infolge vor allem deshalb fehlender Solidarisierung untereinander und politischer Artikulation, was darüber hinaus auch mangelnden Erfahrungen angesichts patriarchalischen DDR-Strukturen und paternalistischen Durchsetzungsmechanismen (auch im Bereich der Gleichstellung) in der DDR geschuldet ist sowie fehlenden feministischen Bewegungen (einschließlich eines historisch ausgebliebenen Diskurses zu den Geschlechterverhältnissen und einer bis heute anhaltenden Distanz zur Normalbiografie der westdeutschen Frauen und zu westdeutschen – teilweise als militant und männerfeindlich wahrgenommenen – feministischen Gruppen); – infolge der zunehmenden Nachrangigkeit des Problems der Gleichstellung der Geschlechter (auch in eher „geschlechtslosen“ gesellschaftlichen Zukunftsmodellen) angesichts anderer aktueller existenzieller gesellschaftlicher Fragen und deren Widerspiegelung im öffentlichen Bewußtsein. Hier liegen aber ganz erhebliche politische Potenziale, diese „Defizite“ zu „knacken“ sofern tatsächlich der politische Wille dafür existent ist – dies unter mehreren Perspektiven: – mit der Bewußtmachung der Benachteiligung ostdeutscher Frauen qua Geschlecht und ihrer Aktivierung zu politischen Subjekten; – mit verstärkten politischen Bemühungen um die Auflösung des bestehenden Widerspruchs zwischen den durchorganisierten hierarchischen Strukturen der etablierten Parteien mit ihren Spielregeln und dem weiblichen Unwillen, ihr politisches Engagement aus Gründen vermeintlicher oder tatsächlicher Effektivitätssteigerung Rentabilitäts- und Rationalisierungskriterien zu unterwerfen. Da sich Frauen offensichtlich stärker engagieren in ihrem sozialen (über- und durchschaubaren) Umfeld, für ganzheitliche oder konkrete Probleme, möglichst fern von strengen Hierarchien, in eher informellen Strukturen, unter einer möglichen Verknüpfung der Sach- mit der Beziehungsebene, der „privaten“ mit der „öffentlichen“ Sphäre, andererseits die Parteienpolitik dem mehrheitlich deutlich zuwiderläuft, sollten die etablierten Parteien über ihre Bürgernähe und Strukturen nachdenken. Zudem sind zahlreiche Themen innerhalb der parteipolitischen Interessen kaum attraktiv für Frauen sind. Außer den Frauen entfernen sich zunehmend auch Jugendliche von ihnen, und die Akzeptanz alternativer politischer Handlungsformen (mit demokratischen Mitteln) wächst demgegenüber an. Während das Mißtrauen gegen die Parteien und die Politiker steigt und sie zunehmend mit Macht, Korruption, Lüge und Handlungsunfähigkeit konnotiert werden. Chancen hätten Frauen vor Ort an der Basis, die punktuelle und thematische politische Partizipationsmöglichkeiten zuläßt mit großen Handlungsspielräumen im Umfeld der Parteien, die bereit sind, deren Ergebnisse parlamentarisch einzubringen, oder aber (verfassungsmäßig verankerte) neue politische Organisationsformen, wie das MÖLLER (1991) vorschlägt, z. B. die Akzeptanz „direktdemokratischer Elemente politischer Kultur und Formen direktdemokratischer Staatswillensbildung als ergänzende Faktoren repräsentativer Demokratie“, ein „Wahlsystem mit einer dritten Stimme, mit der entschieden wird, welcher der sozialen und Bürgerbewegungen bei der Zuteilung von Geld besonders gefördert wird (Ergänzung zur Parteienfinanzierung)“. – mit sichtbaren politischen Bemühungen aus der Sackgasse der traditionellen Frauenpolitik im Sinne der Angleichung und „Anhebung“ weiblicher an männliche Lebensverhältnisse und -zusammenhänge. Vielmehr müssen politische (einschließlich juristische, arbeitsmarktbezogene) Strategien zur Gleichstellung der Geschlechter an einem übergeordneten Maßstab für alle Menschen (Frauen und Männer) orientiert sein für mit einem gleichen Maß an Freiheit, Verpflichtungen sowie Optionen für ein selbstbestimmtes Leben. Dies würde insbesondere ostdeutsche Frauen erreichen angesichts ihres traditionell distanzierten Verhältnisses beispielsweise zur Quotenregelung. Denn insgesamt stellen Begriff und gängige Praxis der „Frauenförderung“ im Kern ein Paradoxon dar, weil sie zwar als Intervention darauf gerichtet sind, Geschlecht als diskriminierenden Faktor abzuschaffen, dabei aber implizit Geschlecht ins Zentrum der Intervention stellen und nur auf die Frau beziehen. Trotz allem bleibt die „Quote“ ein vehiculum gerade für die etablierten politischen Strukturen insofern, als zum einen damit mehr Frauen Chancen zu Subjekten/Akteurinnen von Politik insgesamt und von Gleichstellungspolitik im speziellen eingeräumt werden und zum anderen damit identifizierbare Vorbilder und öffentliche Vergewisserung für die (nicht nur) ostdeutschen Frauen zur Verfügung stehen. Insbesondere für ostdeutsche Jugendliche bleibt Dreh- und Angelpunkt ihrer Systembindung, ihrer politischen Einstellungen und Partizipation, inwieweit sie Bedingungen vorfinden, die ihnen insbesondere die Verwirklichung ihrer beruflichen Zukunft ermöglichen – also die Entwicklung des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts. Zudem stecken gerade ostdeutsche Frauen ihre gesamte Kraft und Zeit in die Realisierung ihrer beruflichen Orientierung – ob sie erwerbstätig oder arbeitslos sind: Erwerbstätige wenden zunehmend mehr Zeit und Kraft für ihre Erwerbstätigkeit auf, und Arbeitslose – mit objektiv mehr Zeit – bemühen sich (teilweise krampfhaft) um Rückkehr in die Erwerbsarbeit, so daß innerhalb der Lebens- und Wertorientierungen politische Orientierungen und Aktivitäten eine untergeordnete Rolle spielen. Last but not least wären die Aktivierung der ostdeutschen Frauen für politische Aktivität und ihre Solidarisierung, aber auch die anderen ebengenannten politischen Initiativen gleichzeitig ein ganz wesentlicher Beitrag auf dem Weg zur „inneren Einheit“ in Deutschland und zwar – angesichts des gegenwärtigen Roll-backs in den Geschlechterverhältnissen und in der politischen Kultur – deutlich in Richtung gesellschaftlicher Progression. Das Potential dafür ist gegeben angesichts folgender typischer Aussage einer 25-Jährigen (Ärztin und Schauspielerin): „Daß mir etwas fehlt, weil ich in der DDR aufgewachsen bin, glaube ich nicht. ich habe eher das Gefühl, daß mir jetzt etwas fehlt ... Nicht das persönliche Ziel, das habe ich. Aber ich habe das Bedürfnis, mich darüber hinaus irgendwo einzubringen.“ Oder: „Ich möchte unabhängig von Kirche, Partei, Gewerkschaft oder Bürgerinitiative sein. Ich finde momentan keine Gruppierung, für die ich meine Stimme abgeben würde ...“
Für Dokumente, die in elektronischer Form über Datenenetze angeboten werden, gilt uneingeschränkt das Urheberrechtsgesetz (UrhG). Insbesondere gilt:
Einzelne Vervielfältigungen, z.B. Kopien und Ausdrucke, dürfen nur zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch angefertigt werden (Paragraph 53 Urheberrecht). Die Herstellung und Verbreitung von weiteren Reproduktionen ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Urhebers gestattet.
Der Benutzer ist für die Einhaltung der Rechtsvorschriften selbst verantwortlich und kann bei Mißbrauch haftbar gemacht werden.