MPIfG Working Paper 06/6, Oktober 2006

 

Was bringt die Föderalismusreform? Wahrscheinliche Effekte der geänderten Zustimmungspflicht

 

Simone Burkhart , Philip Manow ,
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln

 

Wir bedanken uns sehr herzlich für hilfreiche Hinweise, Erläuterungen und Kommentare bei Fritz W. Scharpf, Hans Meyer, Christoph Möllers, Arthur Benz und André Kaiser.

 

 

 

 

Abstract

The recently enacted reform of German federalism is supposed to make legislation "faster, more efficient and better." To what extent are these expectations justified? In order to assess the likely effects of the reform, this study uses a research design that was recently applied by the Research and Reference Services of the German Bundestag (parliament): we estimate the future effects of the reform by analyzing the impact it would have had on the legislation in the 14th and 15th term of the Bundestag if it had already been been in force at that time. In particular we ask: To what extent would the number of laws requiring the consent of the states' chamber, the Bundesrat, have been reduced? Which type of laws would have been affected by this reduction - the more controversial ones, or the less controversial ones? Which policy sectors would have seen the greatest reduction? How much would the reduction have increased the government's capacity to act effectively? Would the legislative process have been accelerated?

 

 

 

Zusammenfassung

Die verabschiedete Föderalismusreform soll die Gesetzgebung in Deutschland "schneller, effizienter und besser" machen. Inwiefern sind diese Erwartungen berechtigt? Zur Abschätzung der Reformfolgen auf die Bundesgesetzgebung folgen wir in dem vorliegenden Working Paper einer Vorgehensweise, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kürzlich in einer Studie angewandt hat: Die Auswirkungen der Föderalismusreform insbesondere auf die Zustimmungspflicht werden anhand der Gesetzgebung der 14. und 15. Legislaturperiode untersucht. Wir fragen insbesondere: Wie stark hätte sich der Anteil der Zustimmungsgesetze verringert, wenn die neuen Zustimmungsregeln schon in diesen beiden Legislaturperioden gegolten hätten? Wären eher zwischen Regierung strittige oder unstrittige Gesetze von der Zustimmungspflicht befreit worden? Welche Politikbereiche wären betroffen? Wie sehr hätte sich die politische Handlungsfreiheit der Bundesregierung erhöht? Wäre die Gesetzgebung durch die veränderten Zustimmungsregeln beschleunigt worden?

 

 

 

Inhalt

 

1

Einleitung

2

Methodische Vorbemerkungen

3

Analyse: Die Auswirkungen der Föderalismusreform

3.1

Welche Gesetze verlieren voraussichtlich ihre Zustimmungspflicht?
Für welche Gesetze werden neue Zustimmungstatbestände geschaffen?

3.2

Auswirkungen auf den Handlungsspielraum des Bundes

3.3

Ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren?

3.4

Ist eine Reduzierung der Zustimmungspflicht um 50 Prozent wirklich realistisch?

4

Zusammenfassung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literatur

 

 

 

1    Einleitung

 

Zu den zentralen Reformprojekten der Großen Koalition gehört die Föderalismusreform. Nach einem ersten – gescheiterten – Anlauf in der 15. Legislaturperiode ist nun die als vordringlich angesehene Reform mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD und mit der notwendigen verfassungsändernden Mehrheit der Länder verabschiedet worden. Mit der Föderalismusreform sollen die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass in Deutschland "schneller, effizienter und besser" regiert werden kann (Matthias Platzeck, zitiert nach FAZ vom 7. März 2006). Zentrales Anliegen der Reform ist, den Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze, der bislang bei über 50 Prozent liegt und in der Vergangenheit fast alle wichtigen Gesetzesvorhaben betraf, zu senken und damit die Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesländer (und – bei entsprechender parteipolitischer Zusammensetzung des Bundesrates – auch den Einfluss der Opposition) auf die Bundesgesetzgebung wesentlich zu reduzieren. Im Gegenzug sollen die Bundesländer mehr eigenständige Gesetzgebungskompetenzen erhalten. Dadurch verspricht sich die Koalition, dass die "Gesetzgebung beschleunigt" und die politischen "Kompetenzen klarer den verschiedenen staatlichen Ebenen zugewiesen" werden können (Angela Merkel, zitiert nach FAZ vom 7. März 2006).

 

Inwiefern sind diese Hoffnungen berechtigt? Die wesentlichen Änderungen, die die Föderalismusreform im Bereich der Zustimmungspflichtigkeit von Bundesgesetzen mit sich bringt, erfolgen durch Neuformulierungen des Artikels 84 und des Artikels 104 GG. Der bisherige Artikel 84 Absatz 1 GG hatte sich in der Vergangenheit als eigentliches "Einfallstor" für die Ausweitung der Zustimmungsregelungen erwiesen (vgl. Dästner 2001). Das Zustimmungserfordernis wurde in der Vergangenheit etwa zur Hälfte ausschließlich aufgrund des Artikels 84 Absatz 1 ausgelöst. Die durch die Föderalismusreform erwartete Verringerung des Anteils der Zustimmungsgesetze beruht allein auf der Neuregelung dieses Artikels. Bislang löste Artikel 84 Absatz 1 immer dann die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundesrates aus, wenn ein Bundesgesetz zugleich die Einrichtung von Behörden oder das Verwaltungsverfahren bei der Gesetzesausführung regelte. Da der Vollzug von Bundesgesetzen eine Angelegenheit der Länder darstellt, erscheint es zunächst sinnvoll, dass die Länder einem Gesetz zustimmen müssen, das in ihre Verwaltungshoheit eingreift. Die Regelung des Artikels 84 Absatz 1 wurde aber deswegen brisant, weil sich das Zustimmungserfordernis durch die frühe Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht ausschließlich auf die Verfahrensvorschriften und das Errichten von Behörden beschränkt, sondern auch auf den materiellen, also politischen Inhalt eines Gesetzes ausgeweitet wurde ("Einheitstheorie" oder "Unteilbarkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts). Der Bundesrat konnte demnach auch dann einem Gesetz die Zustimmung verweigern, wenn eine Ländermehrheit lediglich etwas am substanziellen politischen Gehalt auszusetzen hatte. Bei unterschiedlichen politischen Mehrheitsverhältnissen zwischen Bundestag und Bundesrat wurde diese weite Auslegung des Artikels 84 Absatz 1 oft von der Opposition genutzt, um die politische Agenda der Regierungsparteien zu blockieren (Lehmbruch 2000). Parteipolitische Blockaden und/oder für alle Seiten unbefriedigende Kompromisse im Vermittlungsausschuss waren die allseits beklagten Folgen, die mit der Neufassung des Artikels verringert werden sollen.

 

In dem neu formulierten Artikel 84 sind nun drei verschiedene Möglichkeiten festgehalten, ein Gesetz zustimmungsfrei oder zustimmungspflichtig auszugestalten. Entweder verzichtet der Bund auf eine Regelung der Verwaltungsverfahren zur Gesetzesumsetzung (eine Option, die der Bund natürlich auch bereits vorher hatte) – damit ist das Gesetz zustimmungsfrei. Oder der Bund regelt das Verwaltungsverfahren und erlaubt den Ländern abweichende Regelungen – das Gesetz ist dann ebenfalls zustimmungsfrei. Schließlich kann "in Ausnahmefällen" der Bund das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln (Artikel 84 Absatz 1, Satz 5 und 6) – das Gesetz ist wie auch schon zuvor in diesem Fall zustimmungspflichtig. Die einzige wirkliche Neuregelung ist somit in dem Artikel 84 Absatz 1 Satz 2 enthalten, der den Ländern ein Abweichungsrecht einräumt.

 

Alle anderen Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes behalten weiterhin ihre Gültigkeit, beispielsweise der zweitwichtigste Auslöser der Zustimmungspflicht, der Artikel 105 Absatz 3, der die Steuergesetzgebung betrifft. Zugleich wird mit der Neufassung des Artikels 104a Absatz 4 GG ein neuer Zustimmungstatbestand geschaffen. Der neue Absatz 4 schreibt die Zustimmung der Länder nun immer dann vor, wenn Bundesgesetze "Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen" und "wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind".

 

Wie sich diese Gesetzesänderungen auf den Anteil zustimmungspflichtiger Gesetze auswirken könnten, ist kürzlich in einer verdienstvollen Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages erstmals fundiert abgeschätzt worden. Diese Studie untersucht kontrafaktisch, um welche Prozentzahl sich die Zustimmungsgesetze in der 14. und 15. Legislaturperiode verringert hätten, wenn die mit der Föderalismusreform angestrebten Neuregelungen der Zustimmungspflicht schon seit 1998 gegolten hätten (Georgii/Borhanian 2006). Das zentrale Ergebnis der Studie lautet, dass die mit der Föderalismusreform vorgeschlagenen veränderten Zustimmungsbestimmungen den Anteil der Zustimmungsgesetze in der 14. und 15. Legislaturperiode in etwa halbiert hätten (von 55,2 Prozent auf 25,8 Prozent in der 14. und von 51 Prozent auf 24 Prozent in der 15. Legislaturperiode).[1] Die Befunde dieser Studie scheinen also zunächst jene zu bestätigen, die von der Föderalismusreform eine erhebliche Entflechtung des deutschen Föderalismus erwarten.

 

Der Untersuchungsauftrag des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages war darauf beschränkt, die hypothetischen Veränderungen bei der Zustimmungspflicht anhand der Untersuchung der Gesetze der letzten zwei Legislaturperioden zu ermitteln: Wie viele wären von ihnen zustimmungsfrei gewesen, wenn die Föderalismusreform schon 1998 in Kraft gewesen wäre? Die reine Auszählung der Gesetze lässt jedoch nur sehr eingeschränkt Prognosen zu, ob die vielen Erwartungen, die mit der Reform verbunden sind, auch tatsächlich eintreffen. Inwieweit betrifft beispielsweise die prognostizierte Halbierung der Zustimmungsgesetze tatsächlich politisch umstrittene Gesetzesinitiativen? Wie groß ist der politische Handlungsspielraum, den die Regierung mit den Neuregelungen gewinnt? Wird es mit der Verringerung der Zahl zustimmungspflichtiger Gesetze tatsächlich gelingen, die "Entscheidungsprozesse zu beschleunigen" (Gesetzentwurf zur Föderalismusreform, BR-Drucksache 178/06: 34)? In welchem Maße ist die von der Studie prognostizierte starke Reduktion des Anteils der Zustimmungsgesetze wahrscheinlich oder inwiefern beruht sie auf eher unrealistischen Annahmen?[2]

 

Mit der folgenden quantitativen Auswertung der Gesetze der 14. und 15. Legislaturperiode geht es uns um eine bessere Beantwortung dieser weiterführenden Fragen. Dafür wurden die Angaben über die hypothetische Veränderung der Zustimmungspflichtigkeit aus der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes in einen umfassenden Datensatz zur Deutschen Gesetzgebungstätigkeit zwischen 1976 und 2005 integriert.[3] Wir beschränken uns auf die nähere Untersuchung der Veränderungen, die sich für die allgemeine Gesetzgebungstätigkeit des Bundes ergeben, das heißt, wir treffen keine Aussagen über die Auswirkungen auf die Gesetzgebungstätigkeit der Länder.

 

Im ersten Teil diskutieren wir zunächst die Methodik unserer Untersuchung und ihre besondere Problematik, die sich aus unserem Versuch ergibt, durch die Auswertung der Gesetzgebung der vergangenen zwei Legislaturperioden die Folgen der Reform für die Zukunft abzuschätzen. Im zweiten Teil erfolgt eine detaillierte quantitative Analyse der zu erwartenden Reformkonsequenzen auf die Gesetzgebung. Wir konzentrieren uns dabei auf vier Aspekte. Zunächst weisen wir in Abschnitt 3.1 die Veränderung der Zustimmungspflicht nach Politikfeldern aus und untersuchen, ob eher zwischen Regierung und Opposition strittige oder unstrittige Gesetzesvorhaben von einer Änderung der Zustimmungspflicht betroffen gewesen wären. Damit greifen wir einen möglichen Einwand auf, nämlich dass die Reform nur relativ unwichtige Gesetzesmaterie betreffen könnte. In einem zweiten Schritt (Abschnitt 3.2) stellen wir dar, wie stark der Abstimmungszwang zwischen einer Bundestagsmehrheit und dem Bundesrat wahrscheinlich sinken wird und wie groß voraussichtlich der gewonnene politische Handlungsspielraum für die Bundesregierung und für die sie stützende Mehrheit im Parlament ist. Weiterhin untersuchen wir, drittens, wie wahrscheinlich es ist, dass sich die vielfach geäußerte Hoffnung, die Föderalismusreform würde die Gesetzgebung deutlich beschleunigen, auch tatsächlich erfüllt (Abschnitt 3.3). Im letzten Abschnitt der Analyse widmen wir uns der Frage, wie realistisch ein Sinken des Anteils der zustimmungspflichtigen Gesetze um die Hälfte tatsächlich ist (Abschnitt 3.4). Abschließend fassen wir unsere Analysen zusammen.

 

Um die Hauptergebnisse zusammengefasst vorwegzunehmen: Sie sind gemischt, lassen aber insgesamt an einer positiven Bewertung der Föderalismusreform, wie sie insbesondere durch die prognostizierte starke Senkung des Anteils der Zustimmungsgesetze nahegelegt wird, erhebliche Zweifel aufkommen. Einerseits wird durch die Reform der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze tatsächlich sinken, jedoch aller Voraussicht nach in einem deutlich geringeren Umfang als bislang erwartet und aus der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes abgeleitet wurde. Obwohl von der Reduktion der Zustimmungspflicht wahrscheinlich auch kontroverse Gesetzesmaterie, beispielsweise aus den Bereichen Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Gesundheit, betroffen sein wird, sinkt für kontroverse Gesetze die Zustimmungsquote eher unterdurchschnittlich. Was die Gesetzgebungsdauer anbetrifft, so wird die Föderalismusreform keine wesentliche Verkürzung des Gesetzgebungsprozesses mit sich bringen. Schließlich: Der Bund erkauft sich die Reduktion der Zustimmungstatbestände mit dem Abweichungsrecht der Bundesländer in Verfahrensfragen. Wo diese Verfahrensfragen für den materiell-substanziellen Gesetzesgehalt von Bedeutung sind, behält der Bund ein politisches Interesse an einer einheitlichen Regelung – die dann aber auch weiterhin die Zustimmung des Bundesrates erforderlich machen würde. Zugleich wird durch die Föderalismusreform ein teilweise neuer und umstrittener Zustimmungstatbestand geschaffen, der in seiner Wirkung bisher kaum abzuschätzen ist. Dieser neue Zustimmungstatbestand wird aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem zwischen Regierung und Opposition kontroverse Gesetzesvorhaben betreffen und steht in Gefahr, für eine parteipolitisch motivierte Blockadepolitik im Bundesrat benutzt zu werden.

 

 

2    Methodische Vorbemerkungen

 

Bevor wir die aufgeworfenen inhaltlichen Fragen nach den konkreten Effekten der beiden zentralen Neuregelungen der Föderalismusreform in Artikel 81 und 104 GG durch eine detaillierte quantitative Analyse der Gesetzgebung in der 14. und 15. Legislaturperiode zu beantworten versuchen, ist es nötig, auf die methodischen Fragen näher einzugehen, die mit unserer Vorgehensweise, die der des Wissenschaftlichen Dienstes folgt, verbunden sind. Ein kontrafaktisches Szenario, dass die Geltung der Föderalismusreform als Gedankenspiel um acht Jahre vorverlegt und danach fragt, welche Gesetze von 1998 bis 2005 zustimmungsfrei gewesen wären, wenn die Reform bereits seit Beginn der 14. Legislaturperiode gegolten hätte, unterstellt notwendigerweise "ansonsten gleiche" Bedingungen. So wie die Reform bei einer solchen Vorgehensweise zeitlich vorverlegt wird, so werden zugleich die besonderen Bedingungen der 14. und 15. Legislaturperiode zeitlich fest- beziehungsweise fortgeschrieben. Damit werden nicht nur zum Beispiel die besonderen wirtschaftlichen und politischen Kontextparameter dieser Legislaturperioden als konstant angenommen, insbesondere wird auch vom strategischen Anpassungshandeln der Akteure an die nun veränderten Zustimmungsregeln abgesehen.[4]

 

Es ist offensichtlich, dass dies eine problematische Annahme ist. Um nur ein Beispiel zu geben: Wenn wir den Grad der politischen Konfliktintensität der zuvor zustimmungspflichtigen und zukünftig zustimmungsfreien Gesetze dadurch ermitteln wollen, dass wir die betreffenden Gesetze der 14. und 15. Legislaturperiode hinsichtlich des oppositionellen Abstimmungsverhaltens im Bundestag untersuchen oder hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, mit der der Bundesrat ein Gesetz zum Anlass genommen hat, den Vermittlungsausschuss anzurufen, so wird notwendigerweise der Umstand vernachlässigt, dass der Grad der Konfliktintensität dieser Zustimmungsgesetze gerade deswegen niedriger gewesen sein könnte, weil es sich eben um Zustimmungs- und nicht um Einspruchsgesetze handelte. Für die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes und unsere Replikation dieser Studie ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, dass seit April 1999, also fast über den gesamten Betrachtungszeitraum, die rot-grüne Bundesregierung keine eigene Mehrheit im Bundesrat besaß. Wir wissen aber, dass entgegenlaufende Mehrheiten von Bundestag und Bundesrat bei Zustimmungsgesetzen einen hohen Kompromisszwang zwischen Regierung und Opposition etablieren, dass also der Anteil konsensualer Gesetzgebung (bei Zustimmungsgesetzen) bei stark divergierenden Mehrheiten besonders hoch ist (Burkhart/Manow 2006). Anders formuliert: Gerade wenn ein Gesetzentwurf der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wird eine Regierung unter Umständen diesen Kompromisszwang schon bei der Gesetzesformulierung berücksichtigen, was die messbare parteipolitische Konfliktintensität, etwa die Wahrscheinlichkeit ablehnender Oppositionsvoten im Bundestag, senkt. Für unsere Analyse könnte es daher zu systematischen Schätzfehlern kommen, die wir jedoch in ihrer Höhe nicht quantifizieren können (jedoch in ihrer Richtung: die in der Vergangenheit zustimmungspflichtigen, aber zukünftig zustimmungsfreien Gesetze werden im Durchschnitt zwischen Regierung und Opposition kontroverser sein, als dies eine Auszählung der Gesetze der 14. und 15. Legislaturperiode nahelegt).

 

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Zustimmungsgesetze wiederum abhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat sein kann: "In Wahlperioden, in denen die Mehrheitsverhältnisse [zwischen Bundestag und Bundesrat] unterschiedlich sind, ist das Bemühen größer, Gesetzentwürfe von Bestimmungen freizuhalten, welche die Zustimmungsbedürftigkeit auslösen" (Georgii/Borhanian 2006: 31). Auch wenn es für die Annahme eines sinkenden Anteils an Zustimmungsgesetzen bei entgegenlaufenden Mehrheiten zwischen Bundestag und Bundesrat für einen längeren Zeitraum keine eindeutige empirische Evidenz gibt (vgl. Schindler 1999; Feldkamp 2005), so ist doch nicht auszuschließen, dass der Anteil der Zustimmungsgesetze in der 14. und 15. Legislaturperiode höher gewesen wäre, wenn nicht die Opposition in diesem Zeitraum den Bundesrat beherrscht hätte. Andererseits vermuten die Verfasser der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes, dass bei den zwischen der Regierung und Opposition unkontroversen Gesetze die Zustimmungspflichtigkeit auch oft dann unterstellt wurde, wenn sie faktisch fraglich war (Georgii/Borhanian 2006: 34). Je nachdem, ob der "Mengeneffekt" (weniger Zustimmungsgesetze bei "feindlichem Bundesrat") oder der "Konsenseffekt" (unterstellte Zustimmungspflicht bei unkontroversen Gesetzen) überwiegt, würde dies in der Tendenz wiederum zu einer Unter- beziehungsweise Überschätzung der "Entflechtungseffekte" der Föderalismusreform führen.

 

Eine weitere Überlegung ist in diesem Zusammenhang für die Interpretation der Befunde der Bundestagsstudie von besonderer Bedeutung. Die grundlegende, dabei aber durchaus problematische Annahme, auf der die vom Wissenschaftlichen Dienst ermittelten Zahlen zur Verringerung der Zustimmungspflicht basieren, lautet, dass der Bundesgesetzgeber grundsätzlich für alle Gesetze, die bislang nach Artikel 84 Absatz 1 zustimmungspflichtig waren, zukünftig den Ländern das Recht zur Abweichung bei der Regelung von Verwaltungsverfahren und der Errichtung von Behörden zubilligen wird.[5] Zugleich bringt die unklare Formulierung der Neufassung des Artikels 104a Absatz 4 zahlreiche Schwierigkeiten mit sich (Meyer 2006: 6 ff.), die die Verfasser der Studie nur durch Auslegungen der neuen Bestimmungen überwinden konnten (für nähere Ausführungen siehe Georgii/Borhanian 2006: 35 ff.). Während in der Studie die Interpretation des neuen Artikels 104 Absatz 4 restriktiv ausfällt, wird zugleich beim Artikels 84 Absatz 1 ein großzügiger Verzicht des Bundes auf Regelungskompetenzen unterstellt. Damit stehen die Ergebnisse der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes in der Gefahr, auf einer Überschätzung der Verringerung der alten Zustimmungstatbestände und einer Unterschätzung der Zunahme der neuen Zustimmungstatbestände zu beruhen (eine ausführlichere Diskussion findet sich in Abschnitt 3.4).

 

Vor dem Hintergrund dieser einschränkenden methodischen Überlegungen sind die im folgenden Abschnitt aufgeführten Befunde zu interpretieren.

 

 
3 Analyse: Die Auswirkungen der Föderalismusreform

 
3.1 Welche Gesetze verlieren voraussichtlich ihre Zustimmungspflicht?
Für welche Gesetze werden neue Zustimmungstatbestände geschaffen?

 

 

Der zentrale Befund der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages lautet, dass der Anteil der Zustimmungsgesetze für die vergangenen beiden Legislaturperioden bei Geltung der Reform von über 50 Prozent auf etwa 27 Prozent der Gesetze gesunken wäre (siehe Fußnote 1). Um den Reformeffekt genauer abschätzen zu können, würde man gerne wissen, welche der bisher zustimmungspflichtigen Gesetze nach der Reform voraussichtlich ihre Zustimmungspflicht verlieren. Das Gleiche gilt für die Gesetze, die erst durch die neuen Regelungen zustimmungspflichtig werden. Welche Politikfelder sind in beiden Fällen besonders betroffen, wie parteipolitisch umstritten werden die zuvor zustimmungspflichtigen und nun zustimmungsfreien Gesetze sowie die nun erstmalig zustimmungspflichtigen Gesetze vermutlich sein?

 

Für eine Beantwortung dieser Fragen ermitteln wir zunächst den Anteil der Gesetze aus der 14. und 15. Legislaturperiode, deren parteipolitische Umstrittenheit sich an einem ablehnenden Oppositionsvotum bei der Dritten Lesung im Bundestag, also direkt vor der Überweisung eines Gesetzes an den Bundesrat, ersehen lässt. Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, wird die Zustimmungspflicht für 46 Prozent dieser kontroversen Gesetze gesenkt (die Zustimmungsquote sinkt von 48 Prozent auf 26 Prozent). Verglichen mit den konsensual verabschiedeten Gesetzen fällt die Zustimmungsreduktion damit etwas geringer aus (bei den unkontroversen Gesetzen wären 51 Prozent der Zustimmungsgesetze bei Geltung der Regelung nicht mehr zustimmungspflichtig gewesen). Die Zustimmungspflicht wird also bei kontroversen Gesetzen zwar nicht halbiert (wie dies für nicht kontroverse Gesetze gilt), aber dennoch wäre ein deutlicher Entflechtungseffekt der Reform auch für parteipolitisch umstrittene Gesetze zu verzeichnen.

 

 

Tabelle 1    Bisherige und hypothetische Zustimmungsquoten nach Konfliktintensität

 

Konfliktintensität von Gesetzen

Vergangene Zustimmungsquote
in % (Anteil)

Zustimmungsquote 
gemäß Neuregelung
in % (Anteil)

Reduktion der Zustimmungsquote
in %

Alle vom BT in Dritter Lesung konsensual verabschiedeten Gesetze

56
(371/663)

27,5
(182/663)

50,9

Alle im BT in Dritter Lesung kontrovers verabschiedeten Gesetze

47,8
(141/295)

25,8
(76/295)

46

Alle Gesetze bei denen der Vermittlungsausschuss
angerufen wurde

57,1
(100/75)

32
(56/175)

44

Nicht verkündete Zustimmungsgesetze

100
(14/14)

36
(5/14)

64

 

 

Wir erhalten, wie ebenfalls aus Tabelle 1 ersichtlich, grundsätzlich denselben Befund, wenn wir den parteipolitischen Konflikt nicht über das oppositionelle Abstimmungsverhalten im Bundestag, sondern über die Wahrscheinlichkeit ermitteln, mit der die Opposition anlässlich einer Gesetzesinitiative den Vermittlungsausschuss anruft. Auch hier fällt die Reduktion der Zustimmungspflicht unterdurchschnittlich aus. Demnach würde für 44 Prozent dieser Gesetze die Zustimmungspflicht entfallen. Bei gescheiterten oder nicht abgeschlossenen Gesetzesinitiativen sinkt die Zustimmungspflicht hingegen weit überdurchschnittlich. Dieser Befund beruht allerdings auf einer sehr geringen Fallzahl, da in dem Betrachtungszeitraum lediglich insgesamt 14 aller zunächst vom Bundestag gebilligten Zustimmungsgesetze nicht zustande gekommen sind. Neun dieser Gesetze, also 64 Prozent, wären bei einer Gültigkeit der Reform nicht zustimmungspflichtig gewesen.

 

Als erstes Fazit können wir somit festhalten, dass davon auszugehen ist, dass die Verringerung der Zustimmungspflicht auch Gesetze betreffen wird, die relativ wichtig und/oder kontrovers sind. Die Zustimmungsquote reduziert sich jedoch für kontroverse Gesetze eher unterdurchschnittlich. Geringere Entlastungseffekte bei kontroversen Gesetzen würden dann zu erwarten sein, wenn Regierungen gerade bei politisch umstrittenen Gesetzesvorhaben den Ländern seltener ein Abweichungsrecht in Verfahrensfragen zubilligen wollen.

 

Von der Neuregelung der Zustimmungspflichtigkeit sind verschiedene Politikbereiche unterschiedlich stark betroffen. Im Folgenden berichten wir differenziert nach Politikbereichen, wie groß jeweils die Entlastungseffekte für die Bundespolitik ausfallen. Kaum betroffen wäre der Bereich Finanzen, wo lediglich 12 Prozent der bisher zustimmungspflichtigen Gesetze zu Einspruchsgesetzen würden. Da eine Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen bewusst von der Föderalismusreform ausgeklammert wurde und damit auch die Zustimmungspflichtigkeit in der Steuerpolitik nach Artikel 105 Absatz 3 GG zunächst unberührt bleibt, überrascht dieser Befund nicht. Für seine Bewertung ist es allerdings von Bedeutung, dass dieser Bereich traditionell von besonders hoher Konfliktintensität zwischen Regierung und Opposition geprägt ist. Eine deutliche Entlastung beziehungsweise Entflechtung würde die Reform hingegen für die ebenfalls hoch umstrittenen Bereiche Gesundheit, Soziales und Wirtschaft bringen. Geht man von den – durchaus problematischen (siehe unten) – Prämissen der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes aus, wären beispielsweise bei der Geltung der Reformvorschläge in der 14. Legislaturperiode nur 4 der insgesamt 27 zustimmungspflichtigen Gesetze aus dem Bereich Gesundheit zustimmungspflichtig gewesen. Insofern zukünftige sozialpolitische Reformen, die das Ziel einer Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge haben, häufig auch steuerpolitische Sachverhalte mitregeln müssen, könnte sich der Befund einer deutlich zunehmenden Handlungsautonomie des Bundes in diesen Politikbereichen wiederum deutlich relativieren.

 

Eine Übersicht über die politikfeldspezifischen Entflechtungseffekte bietet die folgende Abbildung.

 

 

 

Anmerkung: Dargestellt ist die Anzahl der bisher zustimmungspflichtigen Gesetze für den Zeitraum von 1998-2005 pro Bereich (blau) sowie die hypothetische Anzahl der zustimmungspflichtigen Gesetze, wenn die Reform bereits 1998 in Kraft gewesen wäre (rot). Nicht abgebildet sind Gesetze aus dem Bereich der völkerrechtlichen Vereinbarungen, Angelegenheiten der neuen Länder, Auswärtiges, Kultur und Verteidigung.

 

Der Reduktion der Zustimmungserfordernisse aufgrund der Neuregelung des Artikels 84 Absatz 1 steht jedoch der komplett neue und umstrittene Zustimmungstatbestand, der in Artikel 104 Absatz 4 geregelt werden soll, entgegen. Betrifft eventuell diese neue Regelung insbesondere kontroverse Gesetze? Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes kommt zu dem Ergebnis, dass in den vergangenen zwei Legislaturperioden insgesamt 48 Gesetze unter diesen neuen Tatbestand gefallen wären. Diese Zahl ist stark abhängig von der Auslegung der Neuregelung (siehe oben und Abschnitt 3.4). Doch auch schon unabhängig von der Frage, wie die Zahl dieser neu zustimmungspflichtigen Gesetze durch diese Studie geschätzt wird, zeigt eine Betrachtung ihrer Konfliktintensität, dass es sich aller Voraussicht nach bei diesen Gesetzen überdurchschnittlich oft um kontroverse Gesetze handeln wird. Im Durchschnitt aller Regierungsvorlagen lag der Anteil der umstrittenen Gesetze (operationalisiert über eine Ablehnung der großen Oppositionspartei bei der Dritten Lesung im Bundestag) im Untersuchungszeitraum bei 31 Prozent.[6] Dieser Anteil liegt deutlich höher, nämlich bei 56 Prozent, wenn man nur die Gesetze betrachtet, für die der neu formulierte Artikel 104 einschlägig sein soll.[7]

 

 
3.2 Auswirkungen auf den Handlungsspielraum des Bundes

 

 

Der wesentliche "Tauschhandel", auf dem die Föderalismusreform basieren sollte, lautete, dass die Länder an Gesetzgebungskompetenzen gewinnen, dafür aber im Gegenzug ihre starken Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung des Bundes eingeschränkt werden. Inwieweit wurde durch die Reform diese Idee für den Bund verwirklicht? Genauer gefragt: Inwiefern stärkt die Reform den politischen Handlungsspielraum des Bundes? Hier geht es uns nicht um den Gewinn und Verlust von einzelnen Gesetzgebungskompetenzen bei Bund und Ländern. Vielmehr wollen wir darlegen, wie stark die Verringerung der Zahl der Zustimmungsgesetze den Handlungsspielraum der Regierung und der sie stützenden Mehrheitsfraktion im Parlament vergrößert.

 

Zunächst zur Frage nach der gewonnenen Autonomie einer Bundestagsmehrheit durch die Reduktion des Anteils an zustimmungspflichtigen Gesetzen: Wenn sich der Anteil derjenigen Gesetze erhöht, die die Regierungsmehrheit ohne die Zustimmung der Opposition beschließen kann, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Gesetzgebung des Bundes. Hauptsächlich würde der Zwang zu Formelkompromissen mit dem Vetospieler Bundesrat (und damit bei divergierenden Mehrheiten mit der Opposition) verringert. Wir können es dahingestellt lassen, ob damit automatisch effizientere und "bessere" Gesetze zu erwarten wären. Zumindest wären die politischen Verantwortlichkeiten für schlechte und ineffiziente Gesetze klarer definiert. Der Bürger wäre also mehr als heute in der Lage zu wissen, wer für Gesetzesvorhaben tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn diese nicht zwischen Regierung und Opposition im Vermittlungsausschuss oder sogar schon im Vorfeld außerparlamentarisch ausgehandelt worden sind.

 

Eine verbesserte politische Zurechenbarkeit und eine höhere Autonomie des Bundesgesetzgebers wären dann erreicht, wenn der Anteil der lediglich von der Regierungsmehrheit beschlossenen Gesetze zunehmen und damit der Einfluss der Opposition oder der Bundesländer auf die Gesetzesformulierung zurückgehen würde. Inwieweit kann man den durch die Reform verursachten Rückgang des Einflusses der Opposition und des Bundesrates quantitativ erfassen? Die Länder (und damit unter Umständen die Opposition) können direkt durch den Vermittlungsausschuss Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen. Ein Vergleich zwischen den Ergebnissen der Vermittlungsverfahren bei Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen kann daher einen Anhaltspunkt dafür liefern, wie stark sich der Handlungsspielraum der Bundesregierung durch eine Verringerung der zustimmungspflichtigen Gesetze vergrößert. Wie bereits erwähnt, ist es hierbei wahrscheinlich, dass wir die Auswirkungen der Reform unterschätzen, denn unser Vorgehen lässt unberücksichtigt, inwieweit eine Regierung schon vor der Einschaltung des Vermittlungsausschusses von ihren eigentlichen Vorstellungen abweicht, um die Opposition oder die Länder zur Zustimmung zu bewegen, oder inwieweit eine Regierung angesichts ungünstiger Mehrheitsverhältnisse ganz auf die Einbringung eines Gesetzentwurfs verzichtet.

 

Von den zwischen 1998 und 2005 behandelten 446 Einspruchsgesetzen wurde in 17 Prozent der Fälle (75 Gesetzesvorlagen) der Vermittlungsausschuss angerufen. Bei den im selben Zeitraum vom Bundestag verabschiedeten 512 Zustimmungsgesetzen wurde sogar fast jedes fünfte Gesetz (100 Gesetzesvorlagen) in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Wie in Tabelle 2 dargestellt, wurde trotz des Vermittlungsverfahrens fast jedes zweite Einspruchsgesetz (48 Prozent) unverändert verabschiedet. Bei den Zustimmungsgesetzen, für die der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, lag diese Quote bei lediglich 5 Prozent der Fälle! Der Großteil der dem Vermittlungsausschuss vorliegenden Zustimmungsgesetze wurde also in einer veränderten Version verabschiedet (82 Prozent der Fälle). Bei Einspruchsgesetzen betraf dies lediglich 36 Prozent der Fälle. Berücksichtigt man weiterhin die ungleich stärkere Vetomacht des Bundesrates bei Zustimmungsgesetzen im Vergleich zu Einspruchsgesetzen, ist davon auszugehen, dass die Änderungen durch den Vermittlungsausschuss in der Substanz für die Zustimmungsgesetze deutlich einschneidender ausfielen als bei der Einspruchsgesetzgebung. Mit anderen Worten, von einer Verringerung der Zustimmungspflichtigkeit ist in der Tat eine beträchtliche Ausweitung des politischen Handlungsspielraums der Bundesregierung zu erwarten.

 

Es mag erstaunen, dass diese Einschätzung nicht für die gescheiterten Gesetze zu gelten scheint. Bei Einspruchsgesetzen wurden immerhin 16 Prozent der Gesetze, für die der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, nicht verkündet, obwohl eine Bundestagsmehrheit einen Einspruch hätte überstimmen können. Bei Zustimmungsgesetzen, mit denen der Vermittlungsausschuss befasst war, lag der Anteil gescheiterter Gesetze bei lediglich 13 Prozent. Dieser zunächst verwunderliche Befund erklärt sich vollständig durch zwei Faktoren. Zum einen handelt es sich bei den gescheiterten Einspruchsgesetzen fast ausschließlich um solche Gesetze, die relativ kurz vor der nächsten Bundestagswahl in den Vermittlungsausschuss überwiesen worden sind. Hier könnte es aufgrund von Verzögerungen seitens der Opposition und oder der Länder eventuell gar nicht mehr zu einer Überstimmung des Einspruches gekommen sein, da das Vermittlungsverfahren nicht abgeschlossen werden konnte. Das Antidiskriminierungsgesetz der vergangenen Legislaturperiode ist hierfür beispielhaft.[8] Zum zweiten war bei 3 der 12 betroffenen Gesetze die Zustimmungspflicht kontrovers: Der Bundestag hielt das Gesetz für zustimmungsfrei, der Bundesrat hingegen für zustimmungspflichtig. In zwei dieser Fälle wurde nach der Versagung der Zustimmung durch den Bundesrat das Gesetz nicht verkündet. Möglicherweise befürchtete die Bundesregierung in diesen Fällen, dass es sich in der Tat um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelte und wollte eine mögliche Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht vermeiden.

 

 

Tabelle 2    Handlungsspielraum der Regierung bei Einspruchs- und Zustimmungsgesetzgebung
am Beispiel der Ergebnisse in Vermittlungsverfahren, 1998-2005

 
  Einspruchsgesetze Zustimmungsgesetze
Anzahl Vermittlungsverfahren 75 (von 446) 100 (von 512)
davon:    

Verabschiedung eines geänderten Gesetzes

27 (36%) 82 (82%)

Gesetz wurde unverändert angenommen

36 (48%) 5 (5%)

Gesetz wurde nicht verkündet

12 (16%) 13 (13%)

 

 

Ein weiterer Gradmesser für die autonomen Handlungsmöglichkeiten der Regierungsmehrheit im Bundestag beziehungsweise der durch sie getragenen Bundesregierung ist der Anteil jener Gesetze, die endgültig – also nach Abschluss von möglichen Vermittlungsverfahren – gegen den Widerstand der Opposition im Bundestag verabschiedet werden. Bei oppositionellen Bundesratsmehrheiten, so eine plausible Annahme, sollte dieser Anteil für die Zustimmungsgesetzgebung deutlich niedriger als für die Einspruchsgesetzgebung liegen, denn in diesen Fällen besteht die Gefahr der parteipolitischen Blockade, die man nur dadurch umgehen kann, dass die Opposition bei der Gesetzesausgestaltung "mit ins Boot geholt wird" (siehe Burkhart/Manow 2006). Diese Notwendigkeit entfällt bei der Einspruchsgesetzgebung. Betrachtet man sich die entsprechenden Zahlen der 15. Legislaturperiode (in der kontinuierlich eine oppositionelle Mehrheit im Bundesrat vorlag), werden die Erwartungen bestätigt. In über 90 Prozent aller verabschiedeten Zustimmungsgesetze stimmte eine Opposition dem endgültigen Gesetzestext zu. Dieser Anteil lag bei der Einspruchsgesetzgebung deutlich niedriger, nämlich bei 75 Prozent, und dies, obwohl die Zustimmungsgesetzgebung in der Regel kontroversere Gesetzesmaterien betrifft. Im Ergebnis ist also zu erwarten, dass der Bundesgesetzgeber tatsächlich deutlich an Handlungsautonomie gewinnt, wo immer der Einigungszwang mit dem Bundesrat zukünftig entfällt. Diese Überlegungen sind zudem nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen es die Regierung mit einem oppositionellen Bundesrat zu tun hat. Auch wenn die Regierungsmehrheit auf eine eigene Mehrheit im Bundesrat zählen kann, muss diese erst zur Zustimmung gebracht werden. Dabei werden, wie die Vergangenheit zeigt, Differenzen zwischen der Bundesregierung und einzelnen Landesregierungen aber nicht öffentlich ausgetragen und im Vermittlungsverfahren gelöst, sondern man einigt sich oftmals schon im Vorfeld hinter verschlossenen Türen, um den Eindruck von Streitigkeiten innerhalb einer Partei zu vermeiden. Auch unter dieser Konstellation würden also Abstimmungszwänge und Kompromisse, die in der Gesetzgebungsstatistik nicht nachzuweisen, aber in Fallstudien deutlich belegt worden sind, deutlich verringert.

 

Dieser Gewinn an politischer Handlungsautonomie, und damit sind wir beim zweiten Aspekt, wird in der Neufassung des Artikels 84 Absatz 1 aber sogleich wieder eingeschränkt. Laut neuem Artikel 84 kann der Bundesgesetzgeber zwar nunmehr Vorschriften über das Verwaltungsverfahren ohne die Zustimmung der Länderkammer verabschieden (dieser Punkt löste in der Vergangenheit die Zustimmungspflicht des Gesetzes als Ganzes aus, siehe oben). Jedoch muss er dann in Kauf nehmen, dass die Länder davon abweichende Vorschriften erlassen können. Hier liegt die erste Einschränkung der neuen Handlungsautonomie. Eine zweite Einschränkung folgt daraus, dass der Bund dieses Abweichungsrecht nicht wie bisher automatisch für alle Gesetze, sondern zukünftig überhaupt nur noch in "Ausnahmefällen" und wegen eines "besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung" (Artikel 84 Absatz 1 neu) verhindern kann. Will er die Abweichungsgesetzgebung der Länder verhindern – und wir haben gute Gründe zu erwarten, dass er oft ein Interesse daran haben wird –, benötigt das Gesetz auch weiterhin die Zustimmung des Bundesrates.

 

Fragt man nach der Handlungsautonomie des Bundes nach der Föderalismusreform, darf man sich nicht auf die überwiegend positiven Auswirkungen von Artikel 84 Absatz 1 beschränken. Denn neben der Senkung der Zustimmungstatbestände durch diese Neuregelung schafft der neu formulierte Artikel 104a Absatz 4 neue Zustimmungstatbestände. Wie schon einleitend erwähnt, bedürfen nunmehr alle "Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen … der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind" (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 16/2010, S. 8-9, die vom BT am 30. Juni 2006 angenommen wurde). Die hieraus resultierenden Konsequenzen für den Handlungsspielraum des Bundes und die Blockademacht des Bundesrates – und bei entsprechenden Mehrheiten auch der Opposition – hängen ganz entscheidend von der Auslegung und dem Anwendungsbereich des Gesetzestextes ab. Je nach Auslegung sind die neuen Zustimmungstatbestände in der Lage, den mit der Neufassung des Artikels 81 gewonnenen politischen Handlungsspielraum der Bundesregierung erneut empfindlich zu beschränken.

 

 
3.3 Ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren?

 

 

Die Erwartung einer deutlich schnelleren Gesetzgebungstätigkeit im Zuge der Föderalismusreform beruht auf der Annahme, dass langwierige Abstimmungsprozesse zwischen Regierung und Opposition sowie eine möglicherweise absichtliche Verschleppung des Gesetzgebungsverfahrens durch die Opposition bei verringerten Mitwirkungsrechten des Bundesrates seltener zu erwarten sind. Bei diesen Überlegungen ist aber immer zu bedenken, dass nicht nur bei der Zustimmungs-, sondern auch bei der Einspruchsgesetzgebung sowohl die Opposition als auch die Ländermehrheit Möglichkeiten haben, die Zeitagenda zu bestimmen und den Gesetzgebungsprozess in die Länge zu ziehen (Döring 2005). Die Opposition kann beispielsweise durch die Verzögerung der Ausschussberatungen bei den Bundestagsausschüssen, in denen der Vorsitz an die Opposition gefallen ist, ein Gesetzgebungsverfahren in die Länge ziehen. Der Bundesrat kann schließlich durch die Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Vermittlungsausschuss die Gesetzgebung verzögern. Diese Möglichkeit gehört nicht nur bei Zustimmungsgesetzen zu den Machtinstrumenten des Bundesrates, sondern ist vor einem Einspruch des Bundesrates bei der Einspruchsgesetzgebung sogar zwingend vorgeschrieben (Artikel 77 Absatz 3).

 

Berücksichtigt man also, dass die meisten Methoden der Verzögerung von Gesetzen nicht primär an die Zustimmungspflicht eines Gesetzes gebunden sind, erscheinen Hoffnungen auf eine generelle Beschleunigung der Gesetzgebung trügerisch. Um die Effekte auf die Gesetzgebungsdauer abzuschätzen, muss man die Dauer der Einspruchsgesetzgebung mit der der Zustimmungsgesetzgebung vergleichen. Nur wenn Einspruchsgesetze im Durchschnitt deutlich schneller verabschiedet werden, ist die Hoffnung berechtigt, dass eine Verringerung der Zustimmungspflicht auch die Gesetzgebung beschleunigt. Dazu haben wir die durchschnittliche Dauer zwischen der Einbringung eines Gesetzes und der Verkündung für die letzten beiden Legislaturperioden berechnet. Die durchschnittliche Dauer eines Einspruchsgesetzes lag nach dieser Berechnung bei 201 Tagen, die von Zustimmungsgesetzen bei 217 Tagen. Von einer wesentlichen Verkürzung des Gesetzgebungsprozesses kann bei einer durchschnittlichen Verringerung um 16 Tage kaum die Rede sein. Der größte Anteil an der Gesamtdauer des Gesetzgebungsprozesses geht auf das Konto der parlamentarischen Beratungen – von der Einbringung eines Gesetzes bis zur Verabschiedung durch den Bundestag nach der Dritten Lesung vergehen durchschnittlich bereits 127 Tage.[9] Auch verschiedene Operationalisierungen der Gesetzgebungsdauer, der Einbezug von gescheiterten Gesetzen sowie eine Kontrolle für Politikbereiche lassen nicht auf generell schnellere Gesetzesbeschlüsse bei Einspruchsgesetzen schließen (vgl. Manow/Burkhart 2006; siehe auch Reutter 2006).

 

Das heißt nicht, dass die Föderalismusreform nicht in Einzelfällen zu einer schnelleren Gesetzgebung führen könnte. Beschränkt man die Analyse auf besonders langwierige Gesetzgebungsverfahren, man denke beispielsweise an das Zuwanderungsgesetz, entfallen davon fast zwei Drittel auf Zustimmungsgesetze. Hier führten in der Vergangenheit bei einzelnen Gesetzen langwierige Vermittlungsverfahren und/oder andere Verzögerungstaktiken der Opposition in der Tat zu einer unangemessen langen Gesetzgebungsdauer von bis zu drei Jahren. Ein Teil dieser Gesetze würde nach den neuen Regelungen nicht mehr der Zustimmungspflicht unterliegen. Betrachtet man allerdings andere bedeutende Reformvorhaben der letzten beiden Legislaturperioden, beispielsweise die zustimmungspflichtigen Teile der Hartz-Reformen oder das Gesundheitsreformgesetz der vergangenen Legislaturperiode, so erscheint deren Gesetzgebungsdauer geradezu ungewöhnlich kurz. Keines dieser Gesetze benötigte länger als ein Vierteljahr bis zur Verabschiedung.

 

Nicht erfasst bei allen diesen Berechnungen ist natürlich die Dauer vorparlamentarischer Beratungen und Abstimmungen. Wenn bei divergierenden Mehrheiten die Abstimmung zwischen der Opposition und der Regierung schon vor der Einbringung in den Bundestag vorgenommen wird (wiederum ist die Gesundheitsreform der vergangenen Legislaturperiode ein Beispiel), dann könnte ein Wegfall solcher Kompromissfindungsprozesse die "wahrgenommene Dauer" des Gesetzgebungsprozesses verkürzen. Doch selbst das erscheint fraglich, weil genau dann die Opposition bei von ihr abgelehnten Gesetzen die ihr zur Verfügung stehenden parlamentarischen Verzögerungsmöglichkeiten wahrnehmen könnte.

 

Insgesamt ist also durch die Föderalismusreform keine wesentliche Verkürzung der Gesetzgebungsdauer zu erwarten. Zusätzlich verlängert wird der Gesetzgebungsprozess für Gesetze aus denjenigen Bereichen, die nun nach Artikel 72 Absatz 3 den Ländern das Recht zur (materiellen) Abweichungsgesetzgebung einräumen. Für diese Gesetze wird eine "Fristenregelung" eingeführt, der zufolge betreffende Bundesgesetze erst sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft treten dürfen. Dies betrifft Gesetze über das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege, die Bodenverteilung, die Raumordnung, den Wasserhaushalt und die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.[10] Für diese Bereiche wird damit in Zukunft mit einer deutlich längeren (effektiven) Gesetzgebungsdauer zu rechnen sein.

 

 
3.4 Ist eine Reduzierung der Zustimmungspflicht um 50 Prozent
wirklich realistisch?

 

 

 

Nach der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes hätte die Quote der zustimmungspflichtigen Gesetze in den letzten beiden Legislaturperioden 27 Prozent (siehe Fußnote 1) betragen. Inwieweit liegt dieser Zahl ein realistisches Szenario zugrunde? In der Gesetzesbegründung zum Entwurf der Föderalismusreform ist die Reduktion der Quote zustimmungspflichtiger Gesetze von der Ministerialbürokratie auf lediglich circa 35 bis 40 Prozent geschätzt worden – ein erster Hinweis darauf, dass das Szenario des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages womöglich zu optimistisch ausgefallen ist.

 

Auch wir halten einen neuen Anteil der Zustimmungsgesetze an allen Gesetzen von etwa 35 bis 40 Prozent, also eine Verringerung der jetzigen Anzahl der Zustimmungsgesetze zwischen 10 und 15 Prozent für realistischer, auch wenn entsprechende Prognosen aufgrund zahlreicher Unsicherheitsfaktoren nur unter Vorbehalt getroffen werden können. Unsere Bedenken ergeben sich aus zwei problematischen Annahmen, die der Studie zugrunde liegen und unseres Erachtens zu systematischen Fehleinschätzungen in der hypothetischen Quote der Zustimmungsbedürftigkeit führen könnten. (1) Auf der einen Seite wird in der Studie der Anteil der hypothetisch durch die Regelungen des Artikels 84 Absatz 1 zustimmungsfreien Gesetze (die ohne eine Neuregelung weiterhin zustimmungsbedürftig geblieben wären) systematisch überschätzt. (2) Auf der anderen Seite könnte hingegen je nach Auslegung des Artikels 104a Absatz 4 durch die Rechtsprechung die Auswirkung des neuen Zustimmungstatbestandes in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes systematisch unterschätzt worden sein.[11]

 

Ad 1: Die grundlegende, dabei aber durchaus problematische Annahme der Studie lautet, dass der Bundesgesetzgeber grundsätzlich für alle Gesetze, die bislang nach Artikel 84 Absatz 1 zustimmungspflichtig waren, zukünftig den Ländern das Recht zur Abweichung in den Verfahrensregeln zubilligt.[12] Dies ist eine heroische Annahme. Der Bundesgesetzgeber besaß auch bislang schon die Möglichkeit, ein Gesetz durch den Verzicht auf Ausführungsbestimmungen oder durch eine Teilung des Gesetzes in einen materiell-rechtlichen, zustimmungsfreien und einen verfahrensrechtlichen, zustimmungspflichtigen Teil zustimmungsfrei zu belassen (vgl. Fritz 1982). Wenn er von diesen Möglichkeiten keinen oder kaum Gebrauch gemacht hat, so müssen wir annehmen, dass er dafür gute Gründe hatte – und dies umso mehr, als der Anreiz, einen möglichst hohen Anteil der Gesetze zustimmungsfrei zu halten, ja gerade in Zeiten eines von der Opposition beherrschten Bundesrates besonders stark ausgeprägt gewesen sein sollte. Tatsächlich lassen sich die materiell-substanziellen und die rein verfahrensrechtlichen Regelungen in einem Gesetz oft gar nicht sinnvoll voneinander trennen. Wenn eine solche Trennung nicht möglich ist, "steht und fällt" die materielle Regelung in vielen Fällen mit den Verfahrensvorschriften, die der Bundesgesetzgeber in den Gesetzestext aufnimmt. Daher müssen wir annehmen, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit in vielen Fällen ein politisch substanzielles Interesse an der Regelung der Verfahrensvorschriften gehabt hat und eben deswegen von der ihm ja grundsätzlich offen stehenden Möglichkeit zum Verzicht auf Verfahrensregeln oft keinen Gebrauch gemacht hat. Warum sollte das in Zukunft grundsätzlich anders sein – wie die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes annimmt?

 

Genau deswegen kann nicht bei allen Gesetzen, deren Zustimmungspflichtigkeit bislang auf der Regelung in Artikel 84 Absatz 1 beruhte, davon ausgegangen werden, dass der Bund zukünftig kein Interesse an einer bundesweit einheitlichen Regelung mehr haben sollte. Die diesbezügliche Annahme der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes ist unrealistisch. Der unterstellte komplette Verzicht auf ein Verbot von länderspezifischen Abweichungsmöglichkeiten stellt kein realistisches, sondern ein maximales Szenario dar, das in der Konsequenz die Reduktion der Zustimmungspflicht systematisch überschätzt. Es wird also auch in Zukunft aufgrund der Interessenlage des Bundes in einer unbestimmten Anzahl von Fällen zu verbindlichen Verfahrensregeln kommen, die dann aber auch wieder die Zustimmungspflicht auslösen. Schon in der Begründung des Gesetzestextes ist zu lesen, dass "Regelungen des Umweltverfahrensrechts regelmäßig einen Ausnahmefall" (BR-Drucksache 178/06, S. 35) in diesem Sinne darstellen sollen. Die bezeichnende Formulierung vom "regelmäßigen Ausnahmefall" deutet bereits an, dass die Annahme, der Bund werde den Ländern grundsätzlich immer das Recht zur Abweichungsgesetzgebung zubilligen, kaum haltbar ist. Damit wird auch eine Halbierung des Anteils der Zustimmungsgesetze unrealistisch.

 

Ad 2: Die Föderalismusreform wird mit dem neuen Artikel 104a Absatz 4 GG einen neuen Zustimmungstatbestand schaffen. Dieser Artikel verlangt die Zustimmung der Länderkammer zu Gesetzen, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Damit kann es vorkommen, dass Gesetze die bisher ohne die Zustimmung des Bundesrates verabschiedet werden konnten, zukünftig der Zustimmung der Länderkammer bedürfen. Beispielsweise wäre das Tagesbetreuungsausbaugesetz der 15. Legislaturperiode, welches gegen den Einspruch der Länder verabschiedet wurde, unter diesen neuen Zustimmungstatbestand gefallen.[13]

 

Die neue Regelung des Artikels 104a Absatz 4 hatte in der ursprünglichen Formulierung des Gesetzes hinsichtlich ihrer Klarheit "auch nicht annähernd die Qualität, die man mit Recht von einer Verfassungsnorm erwarten kann" (Meyer 2006: 9). Doch auch in der geänderten Fassung bleiben viele Unklarheiten über die Auslegung und den Anwendungsbereich des Gesetzestextes weiter bestehen. Doch genau von der Auslegung des Anwendungsbereichs hängt es ab, wie stark und unter welchen Umständen der neue Zustimmungstatbestand greift. Damit ist unklar, wie viele Gesetze unter den neuen Zustimmungstatbestand fallen werden. Die beschlossene Ausweitung der Norm auf "vergleichbare Dienstleistungen" könnte den Anwendungsbereich erheblich und "unkalkulierbar" (Meyer 2006: 8) ausdehnen. Weiterhin stellte die ursprüngliche Begründung des Gesetzestextes nur auf ein Zustimmungserfordernis bei "erheblichen Kostenbelastungen der Länder" ab (BR-Drucksache 178/06, S. 44, mit Bezug auf die Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005). Davon ist allerdings im Gesetzestext nichts zu lesen, und es ist unklar, wie das Bundesverfassungsgericht in einem Streitfall entscheiden wird. In diesem Zusammenhang ist eine dritte Befürchtung gravierend: Während für Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren, der Bund ausdrücklich in Artikel 104a Absatz 3 Satz 1 ermächtigt wird, die Ausgaben zu tragen, fehlt diese Ermächtigung für geldwerte Sachleistungen und vergleichbare Dienstleistungen.[14]

 

Die Auswirkungen der Neuregelung auf den Handlungsspielraum des Bundes hängen damit von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren und der Auslegung des Artikels in der Rechtsprechung ab. Im für den Bund besten Fall werden nur Regelungen betroffen sein, die zu erheblichen Kostenfolgen für die Länder führen und die den Tatbestand der geldwerten Sachleistungen und vergleichbaren Dienstleistungen eng definieren. Außerdem könnte sich in einem solchen Szenario der Bund, würde das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit einer Vollfinanzierung auch für geldwerte Sachleistungen und vergleichbare Dienstleistungen anerkennen (was fraglich ist), von dem Zustimmungserfordernis komplett "freikaufen" indem er alle Kosten übernimmt. Natürlich werden die Länder dann genau dies versuchen, nämlich ihr Zustimmungsrecht zu nutzen, um den Bund zu einer Vollfinanzierung zu drängen.[15]

 

Im für den Bund schlechtesten Fall wird der Tatbestand der geldwerten Sachleistungen und vergleichbarer Dienstleistungen allerdings sehr weit gefasst und würde dann eventuell bedeutend mehr Gesetze betreffen, als die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes annimmt. Gleiches gilt für den Fall, dass nicht nur bedeutende Kostenfolgen berücksichtigt werden, sondern, wie es im Gesetzestext steht, lediglich darauf abgestellt wird, ob Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Wird weiterhin die volle Finanzierung von geldwerten Sachleistungen und vergleichbaren Dienstleistungen gar nicht gestattet, da eine solche Regelung ja explizit nicht in den Artikel 104a Absatz 3 Satz 1 mit aufgenommen wurde, gewährt man den Bundesländern für diese beiden Sachverhalte ein Vetorecht eben nicht zum Schutz ihrer Finanzen. Vielmehr könnte das Vetorecht dann dazu genutzt werden, das Gesetz als Ganzes zu verhindern, oder es könnte für Kopplungsgeschäfte auf anderen Feldern eingesetzt werden (Meyer 2006; Scharpf 2006). Damit würde für die betreffenden Tatbestände "eine Zustimmungsbedürftigkeit ohne rechtfertigende Anknüpfungspunkte statuiert, die der fortbestehenden Systematik des Artikels 84 Absatz 1, 104a Absatz 1 GG widerspricht" (Möllers 2006: 4). In der Konsequenz würde dann genau das, was man durch die Neuformulierung von Artikel 84 Absatz 1 verhindert wollte, an anderer Stelle in die Verfassung geschrieben. Die Tatsache, dass auf diese Schwierigkeit schon in der Föderalismuskommission und später in den Anhörungen und Stellungnahmen immer wieder hingewiesen wurde, lässt nur den Schluss zu, dass eine eindeutige Klärung dieses Sachverhaltes politisch nicht durchzusetzen war und in der Konsequenz eine eindeutige Beschneidung der Blockademacht über den politischen Gehalt einer den Artikel 104a Absatz 4 betreffenden Regelung (zumindest für geldwerte Sachleistungen und vergleichbare Dienstleistungen) nicht gewollt war. Da eine eindeutige Klärung dieses Sachverhaltes immer wieder angemahnt, aber nicht realisiert wurde, kann man kaum darauf hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht eine solche, für den Bund vorteilhaftere Auslegung vornimmt. Daher muss man befürchten, dass ambitionierte Ministerpräsidenten durch diese Regelung versuchen werden, ihren durch die Neufassung von Artikel 84 Absatz 1 verringerten Einfluss zu kompensieren (Münch 2006: 4).

 

 

4   Zusammenfassung

 

Unsere Auswertung kommt zu folgenden Ergebnissen: Die in die Föderalismusreform gesetzte Erwartung, sie führe zu einer "Beschleunigung der Entscheidungsprozesse" (siehe BR-Drucksache 178/06: 34) scheint unbegründet. Eine signifikant kürzere Gesetzgebungsdauer ist von den vorgeschlagenen Änderungen nicht zu erwarten. Jedoch erweitert die Föderalismusreform aller Voraussicht nach – wo immer der Abstimmungszwang mit dem Bundesrat entfällt – die politische Handlungsautonomie der Bundesregierung und ihrer parlamentarischen Mehrheit erheblich. Von diesem Entlastungseffekt werden – wie wir in Abschnitt 3.1 gezeigt haben – aller Voraussicht nach auch politisch kontroverse Gesetze betroffen sein.

 

Der von der Föderalismusreform zu erwartende Entlastungseffekt ist allerdings nicht einheitlich. Der Rückgang der Zustimmungspflicht wird am geringsten in der Finanzpolitik, am stärksten in der Sozialpolitik spürbar werden. Im Hinblick auf das politische Ziel einer zukünftig stärkeren Steuerfinanzierung des deutschen Wohlfahrtsstaates relativiert sich diese Prognose allerdings, weil Sozial- und Steuerpolitik immer stärker miteinander verflochten sein werden.[16]

 

Des Weiteren wird der Entlastungseffekt sehr wahrscheinlich geringer ausfallen, als bislang allgemein erwartet. Insgesamt erscheint eine Halbierung des Anteils der zustimmungspflichtigen Gesetze – wie Interpretationen der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes nahelegen – unrealistisch. Nicht immer und überall wird der Bund in Zukunft darauf verzichten, in einem Gesetz Verfahrensfragen für die Länder verbindlich zu regeln. Er hat in der Vergangenheit eher selten auf die verbindliche Regelung von Verfahrensfragen verzichtet, und es ist unklar, warum sich daran in Zukunft etwas ändern sollte. Gerade bei zwischen Regierung und Opposition hoch kontroversen Gesetzesinitiativen ist ein solcher Verzicht unwahrscheinlich, sodass gerade bei diesen umstrittenen Gesetzesvorhaben die "Entflechtungseffekte" der Föderalismusreform vermutlich deutlich geringer ausgeprägt sein werden. Darüber hinaus hat die Föderalismusreform mit dem neuen Artikel 104a Absatz 4 einen neuen Zustimmungstatbestand eingeführt, dessen Folgen bislang schwer abzuschätzen sind. Es besteht die große Gefahr, dass sich diese Regelung als das neue "Einfallstor" für das gesetzgeberische Mitspracherecht (und damit politische Blockierungsrecht) der Länder erweisen wird, dass man mit der Neuformulierung des Artikels 84 Absatz 4 gerade (etwas) geschlossen zu haben meinte. Genaueres wird man erst sagen können, wenn es zu einer verfassungsrechtlichen Klärung unklarer Gesetzesformulierungen in Artikel 104a Absatz 4 gekommen ist. Konkret muss aller Voraussicht nach die Rechtsprechung folgende Punkte des Artikels 104a Absatz 4 klären:

 

1. Besteht die Möglichkeit, dass der Bund den Ländern auch für geldwerte Sachleistungen und vergleichbare Dienstleistungen ihre Zustimmungsrechte durch hundertprozentige Bundesfinanzierung "abkauft"?

 

2. Greift der Zustimmungstatbestand nur für "erhebliche Kosten" (und was wären in diesem Fall erhebliche Kosten?) oder reicht es aus, dass die Bundesländer durch eine Regelung Sachausgaben in unspezifischer Höhe tätigen müssen?

 

3. Was fällt unter den Tatbestand von "vergleichbaren Dienstleistungen"?

 

Je nach Beantwortung dieser bislang ungeklärten Fragen würde der Artikel 104a Absatz 4 für weit mehr Gesetze einschlägig sein, als in der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages angenommen. Der Entlastungseffekt der Föderalismusreform wäre dann nochmals erheblich abgeschwächt.

 

 

 

Literatur

 

Burkhart, Simone/Philip Manow, 2006: Veto-Antizipation: Gesetzgebung im deutschen Bikameralismus. MPIfG Discussion Paper 06/3. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.

Dästner, Christian, 2001: Zur Entwicklung der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen seit 1949. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 32, 290–309.

Döring, Herbert, 2005: Worauf gründet sich die Agenda-Setzer Macht der Regierung? Theoretische und vergleichende Perspektiven auf den deutschen Fall. In: Steffen Ganghof/Philip Manow (Hrsg.), Mechanismen der Politik: Strategische Interaktion im deutschen Regierungssystem. Frankfurt a.M.: Campus, 109–148.

Feldkamp, Michael F., 2005: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Ergänzungsband 1994–2003. Baden-Baden: Nomos.

Fritz, Gernot, 1982: Die Teilung von Bundesgesetzen: Die rechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung von Gesetzentwürfen des Bundes in zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie Teile. Berlin: Duncker & Humblot.

Georgii, Harald/Sarab Borhanian, 2006: Zustimmungsgesetze nach der Föderalismusreform: Wie hätte sich der Anteil der Zustimmungsgesetze verändert, wenn die vorgeschlagene Reform bereits 1998 in Kraft gewesen wäre? Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Vol. WD 3 – 37/06 und 123/06. Berlin: Deutscher Bundestag.

Manow, Philip/Simone Burkhart, 2006: Die Dauer der Gesetzgebungstätigkeit und die Herrschaft über den parlamentarischen Zeitplan – eine empirische Untersuchung des Legislativprozesses in Deutschland. Manuskript, Max-Planck Institut für Gesellschaftsforschung Köln.

Lehmbruch, Gerhard, 2000: Parteienwettbewerb im Bundesstaat. Dritte, erweiterte Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Reutter, Werner, 2006: Schneller! Höher! Weiter! Zur Dauer von Gesetzgebungsverfahren in Deutschland. Manuskript. Berlin: Humboldt Universität.

Schindler, Peter, 1999: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949–1999. Baden-Baden: Nomos.

 

 

 

Endnoten

 

1

 Hier sei angemerkt, dass nach unseren Berechnungen der Gesamtanteil der Zustimmungsgesetze lediglich bei 27 Prozent liegt. Die entsprechenden Prozentzahlen von 25,8 (14. Legislaturperiode) und 24 (15. Legislaturperiode) kommen unseres Erachtens zustande, weil der Wissenschaftliche Dienst bei der Ermittlung der Zustimmungsquote siebzehn Gesetze unberücksichtigt gelassen hat, die nach Artikel 84 Absatz 1 neu zwar nicht mehr zustimmungspflichtig sind, jedoch davon ungeachtet durch den neuen Zustimmungstatbestand von Artikel 104a Absatz 4 zustimmungspflichtig geworden wären (siehe Abschnitt 2). Aufgrund dieses Rechenfehlers der Studie liegt die korrekte hypothetische Zustimmungsquote für die 14. Legislaturperiode nicht bei 25,8 Prozent, sondern bei 27,2 Prozent, für die 15. Legislaturperiode nicht bei 24 Prozent, sondern bei 26,5 Prozent. Berechnet man für beide Legislaturperioden einen Durchschnitt, ergibt sich eine Quote von 26,9 Prozent.

 

2

Zur Kritik der Annahmen der Studie siehe bereits die gemeinsame öffentliche Sachverständigenanhörung von Innen- und Rechtsausschuss des Bundesrates und des Rechtsausschusses des Bundestages am 15. Mai 2006, insbesondere die Stellungnahmen von Prof. Christoph Möllers, Prof. Ursula Münch, Prof. Hans Meyer und Prof. Fritz W. Scharpf (im Internet unter <www.bundestag.de/parlament/gremien/foederalismus/audio/01/index.html>).

 

3

Für eine nähere Beschreibung des Datensatzes siehe Burkhart/Manow (2006).

 

4

Siehe auch die einschränkenden Anmerkungen in der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages: "Unberücksichtigt bleibt das hypothetische Verhalten der an der Gesetzgebung Beteiligten angesichts einer anderen Verfassungslage" (Georgii/Borhanian 2006: 31).

 

5

"Dabei wird unterstellt, dass von der Möglichkeit nach dem neuen Artikel 84 Absatz 1 Satz 4 GG, das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder zu regeln, kein Gebrauch gemacht worden wäre" (Georgii/Borhanian 2006: 3).

 

6

Dieser erhöht sich jedoch auf 40 Prozent, wenn man die in aller Regel unkontrovers verabschiedeten Gesetze aus dem Bereich der völkerrechtlichen Vereinbarungen, die weit überwiegend lediglich Ratifikationsgesetze darstellen, nicht in die Analyse einbezieht.

 

7

Hierbei ist anzumerken, dass genau für die Hälfte dieser Gesetze andere Zustimmungserfordernisse greifen würden, diese also auch ohne die neuen Regelungen des Artikels 104 zukünftig zustimmungspflichtig wären. Zusätzlich wäre ohne die Reform ein weiterer Teil wegen der alten Zustimmungsregelung nach Artikel 84 Absatz 1 zustimmungsbedürftig. Insgesamt würden nach den Berechnungen des Wissenschaftlichen Dienstes lediglich 7 der 48 Gesetze (16 Prozent), für den der Artikel 104a Absatz 4 einschlägig ist, von Einspruchsgesetzen zu Zustimmungsgesetzen umgewandelt. Der Grad der Konfliktintensität liegt jedoch auch für diese Gesetze mit 57 Prozent überdurchschnittlich hoch.

 

8

Wie im Abschnitt 3.3 noch ausführlicher dargelegt, kann es also auch bei Einspruchsgesetzen zu folgenreichen Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess kommen.

 

9

Dabei berücksichtigt sind nicht allein die Beratungen im Bundestag. Wird ein Gesetzentwurf vom Bundesrat eingebracht, wurde die Beschäftigung mit dem Gesetzentwurf im Bundesrat bis zur Einbringung in den Bundestag mitgezählt. Ebenso ist die Dauer des so genannten Ersten Durchgangs berücksichtigt. Dieser betrifft Gesetzesvorlagen der Regierung, die vor der Weiterleitung an den Bundestag erst dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt werden.

 

10

In dem ursprünglichen Gesetzentwurf sollte diese Fristenregelung sogar für alle zukünftig neu zustimmungsfreien Gesetze gelten. Diese Regelung wurde nach massiver Kritik verändert und wird nun sehr wahrscheinlich für den Anwendungsbereich des Artikel 84 Absatz 1 nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.

 

11

Dies ist nicht dem Wissenschaftlichen Dienst anzulasten. Die unklaren Regelungen des Artikels 104a durch den Gesetzgeber haben zur Folge, dass die Autoren Auslegungen über den Anwendungsbereich treffen mussten, die im Gutachten ausführlich dargelegt worden sind. Ob diese in der Praxis zutreffen, ist Spekulation. Andere Interpretationen führen zwangsläufig zu anderen Ergebnissen, die wir hier kurz skizzieren möchten.

 

12

"Dabei wird unterstellt, dass von der Möglichkeit nach dem neuen Artikel 84 Absatz 1 Satz 4 GG, das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder zu regeln, kein Gebrauch gemacht worden wäre" (Georgii/Borhanian 2006: 3).

 

13

Nach Ansicht der Länder war dieses Gesetz allerdings auch schon nach den alten Regelungen (nämlich gemäß Artikel 84 Absatz 1 GG) ein Zustimmungsgesetz. Dies ist einer der Fälle für einen zwischen Bundestag und Bundesrat umstrittenen Status von Gesetzen.

 

14

Der Artikel 104a Absatz 1 stellt klar, dass Bund und Länder jeweils die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Ausgaben ergeben, selbst zu tragen haben. Von dieser Regelung kann nach dem Wortlaut des Artikels 104a Absatz 1 GG nur dann abgewichen werden, wenn "dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt".

 

15

Wir danken Prof. Hans Meyer, der uns auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht hat.

 

16

Die "gesundheitspolitischen Eckpunkte" der Großen Koalition führen schon einmal vor Augen, wie sehr das Zustimmungserfordernis der Länder in Finanzfragen auch die wichtigen Sozialreformen prägt und weiterhin prägen wird.

 

 


Copyright © 2006 Simone Burkhart/Philip Manow

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MPIfG: MPIfG Working Paper 06/6

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[Zuletzt geändert am 29.03.2007 10:59]