Social Justice statt Kultur der Kälte : Alternativen zur Diskriminierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland
Weinbach, HeikeDownload:
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URL | http://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2009/1254/ |
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Dokumentart: | Bericht / Forschungsbericht / Abhandlung |
Institut: | Rosa-Luxemburg-Stiftung |
Schriftenreihe: | Manuskripte // RLS, Rosa-Luxemburg-Stiftung |
Bandnummer: | 63 |
ISBN: | 978-3-320-02911-1 |
Sprache: | Deutsch |
Erstellungsjahr: | 2006 |
Publikationsdatum: | 16.03.2009 |
DDC-Sachgruppe: | Politik |
Sondersammelgebiete: | 3.6 Politik und Friedensforschung |
Kurzfassung auf Deutsch:
Inhalt Einleitung I Kultur der Kälte: Diskriminierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland im Kontext der Europäischen Union 1. Neue soziale Bewegungen/BürgerInnenrechtsbewegungen und Alltagsrealitäten in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR 1.1 Vorgeschichte: Postfaschistisches Deutschland 1.2. Neue soziale Bewegungen in der BRD 1.3. TrägerInnen neuer sozialer Bewegungen 1.4. BürgerInnenrechtsbewegungen in der DDR 2. Theorien der Diskriminierung in der BRD 2.1. Soziale Schließung durch die Mehrheitsgesellschaft (Rommelspacher) 2.2. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (Heitmeyer und Forschungsgruppe) 3. Bundesdeutsche (Anti-)Diskriminierungspolitik im Kontext der EU 3.1. Europapolitische Definition von Diskriminierung 3.2. Die europäischen Richtlinien gegen Diskriminierung 3.3. Alternativbeispiele für staatliche Antidiskriminierungspolitiken 3.4. Europäische Kampagne gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz 4. Die Umsetzung europäischer Antidiskriminierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 4.1. Normalität von Diskriminierung in der BRD 4.2. Stand der Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien 4.3. Das Berliner Konzept zur Integration und Migration 5. Zusammenfassung II Social Justice: Partizipative Gerechtigkeitspolitik und -bildung. Theorie und Praxis in den USA und Großbritannien 1. Social Justice: Ein Begriff geht als Praxis um 1.1. Der englische Begriff: Social Justice 1.2. Historische Relevanzen für die Aktualität des Social Justice-Projekts 1.3. Liberale und konservative Social Justice-Beschreibungen und Zuschreibungen 2. Philosophische und politische Bausteine von Social Justice 2.1. Theorie und Philosophie von Social Justice 2.2. Iris Marion Youngs Politische Philosophie der Gerechtigkeit 2.3. Theorie-Praxisbausteine von Social Justice 2.3.1. Unterdrückung, Diskriminierung: »oppression«, »discrimination« 2.3.2. Macht, Herrschaft: »power«, »domination« 2.3.3. Handeln: »social action«, »(community) organizing« 2.3.4. Wandel, Veränderung: »change«, »social change« 2.3.5. Hoffnung und Imagination: »social hope«, »imagination«, »vision« 2.3.6. Gerechtigkeitsbildung: Social Justice Education 3. Social Justice in der Praxis 3.1. Social Justice in Institutionen und Organisationen 3.2. Social Justice-Bildungsarbeit: Zwei Praxisbeispiele 3.2.1. »tolerance.org«: Bildungs- und Aktionsmaterial 3.2.2. Diversity und Social Justice Education 3.2.3. Übertragbarkeit auf den bundesdeutschen Kontext 4. Social Justice in der Bundesrepublik: Realitäten und Möglichkeiten 4.1. Antidiskriminierungsarbeit, Gerechtigkeit in der öffentlich geförderten Politik 4.2. Social Justice, Gerechtigkeit, Antidiskriminierung in der Theorie und an Hochschulen 4.3. Soziale Gerechtigkeit im Fokus deutscher Politik 4.4. Zwei Beispiele für Antidiskriminierungskampagnen in der Bundesrepublik 4.5. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung – Stand der Gerechtigkeitsdebatten 5. Zusammenfassung III Klassismus: Institutionelle, individuelle und kulturelle Diskriminierung aufgrund des sozialpolitischen Status’ 1. Der Begriff »classism« 2. Historische Entwicklungen von »classism« 3. Klassismus als Diskriminierungs- und Unterdrückungsform 4. Konsequenzen für Bildung und Politik 5. Zusammenfassung IV Ausblicke: Politisierte Anerkennung V. Literatur VI. Anhänge: Internetressourcen zu Antidiskriminierungsarbeit, Social Justice und Klassismus Zur Person Einleitung »Deutsche Zustände«: unter diesem Titel stellte das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld am 15.12.2005 in Berlin die vierte Fortsetzung seiner Studie über Diskriminierungsstrukturen und -potentiale in der Bundesrepublik vor: »Dieser Report, der jährlich fortgeschrieben wird, ist eine Dauerbeobachtung dieser Gesellschaft im Hinblick auf »Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit«, d. h. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Abwertung von Obdachlosen, Homophobie, Abwertung von Behinderten, Islamophobie, Etabliertenvorrechte, Sexismus und die zugrunde liegenden Ursachen. Die vierte Präsentation stellt Ergebnisse aus 2005 vor und beschreibt die Veränderungen zwischen den Jahren 2002 bis 2005.«1 Die Studie stellt einen deutlichen Anstieg der »gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit« fest. Das heißt, die Zahl derjenigen Personen, die eine feindselige, abwertende Position gegenüber einer oder häufig auch mehreren gesellschaftlichen Gruppen (MigrantInnen, Lesben und Schwule, Frauen, Obdachlose u./o.a.). einnehmen, hat sich in den letzten Jahren erhöht (Heitmeyer 2005). Die individuellen Formen der Feindseligkeit und Diskriminierung bis hin zu Gewalt gegenüber Menschen werden staatlich, institutionell und kulturell mit produziert. Dadurch wird eine Alltagskultur erzeugt, in der Diskriminierung als »Normalität« erscheint. Wenn Obdachlose aus Bahnhöfen ausgeschlossen werden; Romakinder und andere Flüchtlingskinder sowie -personen in Abschiebegefängnisse gesetzt und in ein ihnen (manchmal) fremdes Land transportiert werden; wenn Menschen das Recht auf Intersexualtität abgesprochen wird; wenn einem lesbischen Paar die Adoption von Kindern verweigert wird; wenn Behinderte aus Hotels ausgeschlossen werden – dann sind das nur einige wenige Beispiele aus dem (juristischen) Alltag der Bundesrepublik. Diese gehört zwar zu den reichsten Ländern der Welt, dennoch herrscht ein politisches Klima der Kälte, des Voyeurismus und des Schweigens gegenüber Diskriminierung und Benachteiligung auf allen Ebenen. Im ersten Kapitel geht es deshalb auch um die Frage, warum die in mancherlei Hinsicht veränderungsmächtigen sozialen Bewegungen für eine Kultur der Antidiskriminierung und Vielfalt in der Bundesrepublik relativ folgenlos geblieben sind, so dass die derzeitige Situation bestehen kann. Was in den Bielefelder Studien, Schriften und Zeitschriften schon seit Jahren thematisiert wird, ist der Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Diskriminierungspraktiken und den realen Folgen für die Menschen, die bestimmten gesellschaftlichen Gruppen zugeordnet werden. Das Bielefelder Institut repräsentiert eine wissenschaftlich-theoretische Ebene der Kritik an diesen gesellschaftlichen Tatbeständen. Wenn wir danach fragen, ob es denn ein gesellschaftliches Gegenprojekt zu diesen menschenfeindlichen Strukturen und ihrer Herstellung auf institutioneller, kultureller und individueller Ebene gibt, so ist das Social Justice-Projekt, 2 das in den USA, Großbritannien und anderen Ländern politische Praxis ist, eine Antwort exakt darauf. Social Justice steht für das Zusammendenken und die Bewusstheit über das Ineinander Greifen unterschiedlicher Diskriminierungshintergründe: Behindertenfeindlichkeit hängt mit Klassendiskriminierung oder Sexismus ebenso zusammen wie mit Antisemitismus oder Heterosexismus. Die Social Justice orientierten Bewegungen, Initiativen, Organisationen und Institutionen in den USA und anderen Ländern bleiben jedoch nicht auf einer Analyseebene stehen, sondern Social Justice steht für ein wechselseitig bezogenes Aktivwerden und für die gesellschaftliche und politische Installierung und Propagierung von realen Alternativen zu jeder Art von Diskriminierung. Im zweiten Kapitel erläutere ich die historischen und begrifflichen Entstehungskontexte des politischen Projekts Social Justice und stelle seine politischen und philosophischen Bausteine dar.3 Social Justice legt im Unterschied zu »sozialer Gerechtigkeit« in der Bundesrepublik das Gewicht vor allem auf die theoretische und praktische Kritik verschiedener Ungerechtigkeitsformen. Dabei wird Diskriminierung aufgrund von Klassenzugehörigkeit auch mit anderen Diskriminierungsformen zusammengebracht, beispielweise in ihren Auswirkungen auf Geschlechtszugehörigkeit, Migrationshintergründe, Behinderung u. a. (und umgekehrt). Gleichzeitig wird die Diskriminierung aufgrund des sozialpolitischen Status’ jedoch auch als eine eigenständige Diskriminierungsform mit kulturellen und individuellen Folgen für Menschen gedacht. In Kapitel III wird diese Form mit dem Begriff »Klassismus« in seinen Bedeutungen beschrieben. In den Ausblicken werden noch weitere Anregungen formuliert, wie eine andere Kultur erfunden und hergestellt werden kann: eine des offenen Dialogs und der politisierten Anerkennung sowie kontinuierlicher Dekonstruktionen von Machtverhältnissen. Im Anhang der Studie befinden sich Internetadressen zu Antidiskriminierungsprojekten in der Bundesrepublik und zu Social Justice-Ressourcen in den USA und Großbritannien. In die Bibliographie wurde auch weiterführende Literatur aufgenommen. 1 Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung: www.uni-bielefeld.de/ikg/ [15.12.2005] 2 Nach Christophs Spehrs Unterscheidung zwischen politischen Strömungen, Bewegungen, Projekten wäre Social Justice am ehesten als ein politisches Projekt zu bezeichnen: »Auf der Ebene der Formen des Politischen entspricht dem Entwicklungspfad das »politische Projekt« – ein sehr breites gesellschaftliches Bündnis für einen bestimmten Entwicklungspfad. Das politische Projekt ist eine Koalitionsbildung, die bewusstes wie unbewusstes Zusammenwirken beinhaltet, Elemente ideologischer Übereinstimmung wie das Zusammenspiel unterschiedlich interessengeleiteten Handelns – es ist das Angebot eines möglichen Kompromisses, auf dem ein neues Strukturmodell gegründet sein kann. Die Breite dieser Koalitionsbildung übersteigt Bewegungen, Strömungen, Parteien; sie übersteigt auch Klassen und Eliten, baut verschiedene Fraktionen und Teilgruppen zusammen, usw. Das politische Projekt ist der Gegenstand von gesellschaftlicher Hegemoniebildung« (Spehr o. J.). Social Justice als politisches Projekt repräsentiert in diesem Sinne eine konkrete Alternative zu neoliberalen und neokonservativen Projekten. 3 Die Begriffe »Social Justice« und »Community Organizing« verwende ich im Original ohne Übersetzung, weil es keine eindeutige und korrekte Übersetzung dafür gibt und der Begriff »soziale Gerechtigkeit« in der deutschen Sprache ganz anders konnotiert wird. Ebenso verhält es sich mit Übersetzungen wie »Organisieren« oder »Gemeinwesenarbeit « für Community Organizing, beide Übersetzungen treffen den Inhalt nicht. Englische Texte wurden ansonsten von mir ins Deutsche übertragen.
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