Postnationale Politik? : Über den politischen Umgang mit den Denationalisierungsherausforderungen Internet, Klima und Migration

Zürn, Michael

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URL http://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2008/493/
Dokumentart: Bericht / Forschungsbericht / Abhandlung
Institut: INIIS Uni Bremen
Schriftenreihe: InIIS-Arbeitspapier
Bandnummer: 18
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2000
Publikationsdatum: 16.08.2008
Originalveröffentlichung: http://www.iniis.uni-bremen.de/pages/arbeitspapierBeschreibung.php?ID=23&SPRACHE=DE (2000)
DDC-Sachgruppe: Politik
BK - Basisklassifikation: 89.71 (Internationale Zusammenarbeit: Allgemeines)
Sondersammelgebiete: 3.6 Politik und Friedensforschung

Kurzfassung auf Deutsch:

An Mutmaßungen über die politischen Konsequenzen der Globalisierung mangelt es nicht. Zentral ist dabei fraglos die These, daß die Regierungsfähigkeit des Staates insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Frage gestellt und damit der demokratische Wohlfahrtsstaat unterhöhlt wird. Skeptischere Globalisierungsanalysen halten dem entge-gen, daß es Interdependenz schon immer gab und ein systematischer Vergleich der Wirt-schafts- und Sozialpolitiken der OECD-Länder keine Konvergenztendenzen erkennen läßt (vgl. Garrett 1995: 657-687; Garrett 1998; Armingeon 1996) bzw. sich der Wohlfahrtsstaat als erstaunlich resistent (vgl. Pierson 1994 und Esping-Andersen 1996) oder sogar re-aktiv (vgl. Garrett 1998; Rieger/Leibfried 1997: 771-796) zeigt. Die Mehrzahl all dieser Analysen über die politischen Implikationen von Globalisierungsprozessen geht von einer unmittelba-ren Wirkung auf die nationalstaatlichen Politiken (policies) aus. Dabei bleibt allerdings die empirische Illustration des Zusammenhangs zwischen den Globalisierungsprozessen und ihren Konsequenzen in der Regel makrokorrelativ. Die Veränderungen staatlicher „policies“ beispielsweise im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik werden anhand der Hypothese, wonach der verschärfte Standortwettbewerb zu einer Schwächung sozialer Standards führt, in einen kausalen Zusammenhang mit Globalisierung gebracht und anhand vorhandener (oder eben auch nicht vorhandener) Korrelationen belegt (oder in Frage gestellt). Die Kau-salpfade zwischen Globalisierung und Sozialpolitik werden jedoch kaum abgeschritten, und mögliche Veränderungen auf der Ebene der Politikprozesse (politics), die diese „policies“ erst hervorbringen, bleiben unberücksichtigt. Angesichts teilweise inkonklusiver Ergebnisse kann es nicht überraschen, daß die Annahme einer unmittelbaren und gleichgerichteten Auswirkung der Globalisierung auf die nationalstaatliche Fähigkeit, bestimmte Politiken zu formulieren, längst in Frage gestellt wird. Der Hypothese, wonach Veränderungen im inter-nationalen Umfeld zu einer uniformen Veränderung von nationalen Politiken in OECD-Ländern führt, liegt zweifelsohne eine strukturalistische Verkürzung zugrunde. Die Herausforderungen, die sich für das nationalstaatliche Regieren aus der gesellschaftli-chen Denationalisierung ergeben, übersetzen sich nicht unmittelbar in eine nachlassende Fähigkeit, erwünschte politische Zielsetzungen zu erreichen. Die Herausforderungen sind heftig, doch das Ergebnis wird von politischen Entscheidungen und Auseinandersetzungen vermittelt. Letztlich wird also die Gestalt des Regierens in der postnationalen Konstellation (zum Begriff vgl. Habermas 1998) nicht durch die Globalisierung bestimmt, sondern durch die Reaktionen politischer Akteure auf die gesellschaftliche Denationalisierung. Dabei kön-nen politische Akteure zum einen passiv die nachlassende Effektivität staatlicher Politik er-tragen, teilweise weil sie nicht in der Lage sind, jenseits des institutionellen status quo poli-tisch zu denken und zu handeln, teilweise weil sie die internationalen Verhältnisse nutzen, um ohnehin gewünschte innenpolitische Deregulierungen und Veränderungen durchzuset-zen. Zum anderen kann auf die Herausforderungen aktiv in Form des Versuchs der institu-tionellen und konstitutionellen Umgestaltung der Politik reagiert werden. So verstärken regi-onalistische Gruppen ihre Dezentralisierungs- oder gar Sezessionsbemühungen, um auf die neuen Herausforderungen möglichst flexibel und ohne Rücksicht auf die Zentralregierung reagieren zu können. Der Aufstieg der Lega Nord und das Wiedererstarken der Scottish National Party sowie der Parti Québecois können dementsprechend als eine politische Re-aktion auf die ökonomische und kulturelle Denationalisierung gedeutet werden (vgl. Zürn/Lange 1999: 15-99). Regierungen können aber auch durch politische Integrationsbe-mühungen und durch die Errichtung intergovernementaler und supranationaler Institutionen auf die neuen Herausforderungen reagieren, um die sozialen und politischen Räume wieder einigermaßen zur Deckung zu bringen. So gibt es erste Anzeichen dafür, daß Elemente des europäischen Integrationsweges – wie die Einrichtung einer supranationalen Gerichtsbarkeit – heute in der World Trade Organization wiederholt werden (vgl. Godt 1998; Petersmann 1997), und das Regieren jenseits des Nationalstaates in den letzten zwei Dekaden relativ zum nationalstaatlichen Regieren bestimmt an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Zürn 1998: Kap. 6 und 7).


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